Spektakuläre Attentatsvorwürfe alte heizen Konflikte der USA und der Golfregion gegen den Iran bedrohlich auf
von Birgit Cerha
„Der Konkurrenzkampf mit dem Iran gleicht seit langem einem dreidimensionalen Schachspiel“, analysiert Anthony Cordesman, Militärstratege des „Center for Strategic & International Studies“ in Washington. In diesem „Spiel“ aber könne“ jede Seite mit jedem Zug zumindest einige der Regeln verändern“. Sollten tatsächlich, wie US-Präsident Obama behauptet, höchste Kreise der iranischen Führung in einen Attentatsplan zur Ermordung des saudischen Botschafters in den USA verwickelt sein, dann – so Cordesman – hätte der Iran die Spielregeln „radikal“ verändert.
Vorerst freilich mehren sich selbst in den USA die skeptischen Stimmen. Terror-Experten, die sich seit der „Islamischen Revolution“ 1979 mit iranischen Gewaltakten im Ausland befassen, schätzen, wie Robert Baer vom US-Geheimdienst CIA, dasam 11. Oktober von US-Justizminister Holder bekanntgegebene Mordkomplott als „völlig uncharakteristisch“. Es widerspräche total bisherigem iranischem Verhalten. Botschafter Adel al-Jubeir sollte durch eine Bombe in einem Nobelrestaurant in Washington getötet werden und für das Attentat sei ein Mitglied der mexikanischen Drogenbande „Los Zetas“ angeheuert worden. Es bestünden direkte Verbindungen zur „Al-Kuds“-Einheit der iranischen Revolutionsgarden.
Der absurde Dilettantentum des Komplotts läßt eine Verwicklung der Garden höchst unwahrscheinlich erscheinen. Zudem hat die für Gewaltakte im Ausland zuständige “ Al-Kuds“ sich bisher auf die Region – den Irak oder den Libanon – beschränkt. Zahlreiche, teils grausige Morde an iranischen Regimegegnern in den 80er Jahren in Europa gingen auf das Konto des Geheimdienstes. Dennoch weisen Experten darauf hin, dass 2005 die Einsatzregeln für die Garden stark liberalisiert und damit Gewaltakte auch ohne Zustimmung der höchsten Führung möglich wurden. Hinzu kommt, dass im Iran ein interner Machtkampf tobt, der die Strategie des Regimes noch unberechenbarer macht als bisher.
Dennoch herrscht kein Zweifel, dass eine dreiste Provokation zweier geostrategischer Rivalen – der USA und Saudi-Arabiens – nicht in iranischem Interesse liegen kann, da sie einen US-Vergeltungsschlag wahrscheinlich machen würde. Ungeachtet der bekannten Verbalaggressionen Präsident Ahmadinedschads halten Iran-Experten die Teheran Führung für rational, „exzentrisch aber nicht selbstmörderisch“.
Doch Obama beharrt, die Beweise seien eindeutig und sein saudischer Verbündeter stimmt zu. Während die USA von verschärften Sanktionen sprechen, droht Riad „mit eiserner Faust“ zuzuschlagen, während Iran die Vorwürfe heftig zurückweist und sein „Geistlicher Führer“ Khamenei die Welt der „Islam- und Iran-Phobie“ zeiht. „Es ist eine neue Szene in dem seit drei Jahrzehnten währenden Spiel zwischen den USA und dem Iran, sowie Iran und den Nachbarstaaten“, meint Cordesman, ein Spiel das wegen des iranischen Atomprogramms eskalierte und nun gefährliche Dimensionen annehmen könnte.
Die Revolutionsgarden haben sich in der Vergangenheit in Irans Rivalitätskampf gegen die USA um Vorherrschaft in der Region vor allem auf Stellvertreterkriege konzentriert – insbesondere im Libanon, im Irak und in Afghanistan. Stets waren dort die Feinde nicht nur von den USA unterstützte Gruppen, sondern auch von Saudi-Arabien, dem der Iran die Führungsrolle in der islamischen Welt und am Persischen Golf streitig macht. Seit zu Jahresbeginn der „Arabische Frühling“ die Region in Turbulenzen stürzt, mußten die Iraner demütigende Rückschläge einstecken. Nicht nur wollen die freiheitshungrigen Bürger vom „iranischen Modell“ nichts wissen, vor seiner Haustür in Bahrain mußte Teheran tatenlos zusehen, wie eine von Saudi-Arabien geleitete Militärintervention die Rebellion seiner schiitischen Glaubensbrüder gegen das autoritäre sunnitische Königshaus brutal niederwalzte. Zudem kennt auch Teheran die von Wikileaks verbreitete Nachricht, dass saudische Führer, verängstigt durch Irans Atomprogramm, immer und immer wieder Washington zu einem Militärschlag gegen den Rivalen drängen. Krieg aber wollen weder die Saudis, noch die Iraner riskieren.
Samstag, 15. Oktober 2011
Gefährliche Schachzüge zwischen Erzfeinden
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