Verschärfte Sanktionen, vor allem gegen den Energiesektor, könnten die Geschäftswelt aus der Passivität reißen – Doch Assads ökonomische Durchhaltekraft ist stark
(Bild: Souk von Aleppo)
von Birgit Cerha
„Um den Druck auf (Syriens Präsidenten Baschar) Assad zu verstärken, müssen wir unbedingt Sanktionen gegen die Öl- und Gasindustrie verhängen.“ Es dauerte viele Wochen des Blutvergießens in Syrien und intensives Lobbying syrischer Exil-Aktivisten, bis sich US-Außenministerin Hillary Clinton nun zu dieser Warnung durchrang. Während die USA angesichts der anhaltenden Brutalitäten des Assad-Regimes nun auch ernsthaft erwägen, das syrische Regime dort zu treffen, wo es – möglicherweise – am meisten schmerzt, zögern noch die Europäer. Die Vorbilder ermutigen nicht: Irans Ölindustrie unterliegt seit Jahren Sanktionen, ohne dass deshalb auch nur die kleinste politische Haltungsänderung – insbesondere in der Atomfrage – erzielt worden wäre. Und das Schreckensbeispiel der zwölfjährigen Sanktionen gegen den Irak wird international zwar totgeschwiegen, dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass damit die Unschuldigen, die Schwächsten getroffen wurden, während sich das Regime selbst hemmungslos bereicherte. Im Gegensatz zum Irak, dessen Staatseinkommen zu rund 90 Prozent vom Öl abhängen, ist Syriens Ölförderung weitaus bescheidener. Das Land exportiert lediglich 148.000 Barrel im Tag, fast ausschließlich nach Frankreich, Italien und Deutschland. Diese Verkäufe machen mit etwa vier Mrd. Dollar mindestens ein Viertel der Budgeteinnahmen aus. Syrische Aktivisten argumentieren seit vielen Wochen, dass diese Erträge es dem Regime ermöglichen, Waffen, Panzer und Technologie für seine Unterdrückungsmaschinerie zu kaufen und seine Sicherheits- und Geheimdienstkräfte zu bezahlen.
Zudem stärken die Ölexporte auch materiell wichtige Kräfte des Regimes. Kein ausländisches Unternehmen kann in Syriens Energiesektor aktiv werden ohne Mitwirkung der staatlichen Ölfirmen oder Syriens reichsten Geschäftsmann Rami Mahlouf, Vetter des Präsidenten, den Washington bereits 2008 wegen massiver Korruption und jüngst auch wegen Menschenrechtsverletzung auf die schwarze Liste gesetzt hat. Die syrische Opposition ist davon überzeugt, dass höchst lukrative Joint Ventures und Investitions-Partnerschaften zwischen internationalen Energiekonzernen und dem mit dem Assad-Clan verbundenen Unternehmens-Netz die nun so grausig zuschlagende Unterdrückungsmaschinerie des Regimes in Schwung hält.
Syriens Ölsektor ist von ausländischer Technologie und Unterstützung abhängig. Die wichtigsten Partner kommen aus Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich, China, Rußland, Canada, Indien und Kroatien.
Manche Experten sind davon überzeugt, sollte es durch internationale Sanktionen gelingen, den Energiesektor lahm zu legen, wäre das Schicksal des Regimes besiegelt. Doch die ökonomische Widerstandskraft des Assad-Clans ist beachtlich. Seit den 80er Jahren haben die Machthaber Devisen massiv gehortet. Nach Schätzungen verfügen die Zentralbank und die Kommerzbank Syriens derzeit über 18 Mrd. Dollar in bar. Während der syrische und libanesische Schwarzmarkt den Geldbedarf des Privatsektors abdecken kann, dürften die nationalen Geldreserven drei Jahre lang ausreichen, um die Importe des Landes zu bezahlen. Zudem wird wohl auch Syrien, wie so lange der Irak, sein Öl im Falle von Sanktionen auf illegale Weise zu verkaufen.
Im schlimmsten Fall steht der strategische Partner Iran bereit, der nach Berichten Assad ein zinsenfreies Darlehen von 5,8 Mrd. Dollar und 290.000 Barrel Öl im Tag versprochen hat, um den strategisch so wichtigen Freund zu retten.
Verschärfte internationale Sanktionen sollen nach den Wünschen syrischer Aktivisten vor allem aber die immer noch schweigende Mehrheit, die Geschäftswelt von Damaskus und Aleppo aus ihrer Passivität reißen.
Als der Alawit Hafez el Assad 1970 die Macht übernahm, schloß er einen Pakt mit der überwiegend sunnitischen, aber auch christlichen Geschäftswelt des Landes. Er versprach ihr Sicherheit, Stabilität und Nicht-Einmischung in ihre geschäftlichen Angelegenheiten und verlangte als Gegenleistung politische Passivität. Eine breite Schichte in Damaskus und Aleppo brachte es damit zu Wohlstand. Schon Hafez hatte sich Loyalität durch Nepotismus erkauft. Eine kleine Schichte von Freunden und Angehörigen des Assad-Clans häufte seit Baschars Machtübernahme 2000 gigantischem Reichtum auf. An der Spitze dieser Neureichen steht Makhlouf. Eine andere Säule dieser aus nur etwa 200 Personen bestehenden zweiten Geschäftselite ist Mohammed Hamsho, nun ebenfalls auf die US-Sanktionsliste gesetzt. Diese Profiteure aber haben ihr Schicksal auf das Engste mit jenem des Regimes verknüpft und werden ihm auch durch noch so massiven internationalen Druck nicht den Rücken kehren.
Anders verhält es sich mit der traditionellen Geschäftswelt. Sie sieht ihr Überleben in politischer Stabilität und kann bisher keine Alternative zum Assad-Regime erkennen, die ihre Existenz sichern kann. Die Angst vor einem Machtvakuum und blutig-anarchischem Chaos zwingt sie bis heute zum Schweigen und gibt damit Assad politische Überlebenskraft.
Freitag, 12. August 2011
Noch schweigt Syriens Mehrheit
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