von Birgit Cerha
Die Revolution gegen den dienstältesten Diktator der arabischen Welt hat beinahe ihren – blutigen – Sieg errungen. Gadafi ging in den Untergrund, drei seiner Söhne - darunter Saif al Islam, der de-facto Herrscher der vergangenen Tage – sind in Rebellenhand. Sie werden sich vor einem libyschen und/oder einem internationalen Gericht für ihre Taten der vergangenen sechs Monate verantworten müssen: massiven und systematischen Militäreinsatz gegen Zivilisten, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Junge rebellische Libyer, zuletzt in Tripolis, haben die Befreiungsaktion nach 42-jähriger Despotie entscheidend mitgetragen. Sie haben damit ihren unterdrückten Altersgenossen an anderen Orten der arabischen Welt, vom Jemen bis nach Syrien, erneut Hoffnung gegeben, dass todesmutiges Engagement für Freiheit und Würde letztlich Früchte trägt, auch wenn dies im libyschen Fall ohne Militärhilfe von außen nicht möglich gewesen wäre.
Doch Freude ist fehl am Platz. Noch läßt sich der Preis, den die Libyer für ihre Freiheit bezahlen mußten nur erahnen: Tausende Tote und noch viel mehr Verwundete, zerstörte Städte, eine kaputte Wirtschaft, darniederliegende Infrastruktur und die gigantische Gefahr eines politischen Vakuums. Ob es dem aus divergierenden Kräften zusammengesetzten Übergangsrat gelingen kann, rasch das hochexplosive Vakuum zu füllen und den Absturz ins Chaos zu verhindern, wird sich als Schicksalsfrage für das neue Libyen erweisen. Der Irak muss dabei als mahnendes negatives Beispiel dienen: Nicht Ausgrenzung (im Falle des Iraks nach dem Sturz Saddam Husseins 2003 durch Auflösung der Sicherheitskräfte und Entlassung aller Angehörigen der regierenden Baath-Partei) der Mitarbeiter des alten Regimes schafft die Basis für eine friedliche Zukunft, sondern deren Einschluß, ebenso wie die Zusammenarbeit mit islamischen Kräften, die im Kampf gegen Gadafi eine wichtige Rolle gespielt haben. Manche Oppositionsführer haben dies erkannt. Nur wenn es ihnen gelingt, die Libyer zu einem friedlichen Miteinander zu bewegen, hat die Freiheit eine Chance. Westliche Hilfe ist dafür vorerst wohl nötig, doch sie kann sich nur dann nicht als Bumerang erweisen, wenn sie vorsichtig um Hintergrund bleibt und die Libyer rasch zur alleinigen Eigenverantwortung führt.
Montag, 22. August 2011
Libyens Stunde Null
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