Die blutigen Turbulenzen in Syrien werden die geostrategischen Kräfteverhältnisse dramatisch verschieben
von Birgit Cerha
Die syrischen Panzer rollen, Scharfschützen töten wahllos Zivilisten. Die Rebellion des unterdrückten Volkes gegen die Diktatur des Assad Clans geht in den fünften Monat. Die Zahl der Toten steigt dramatisch. 2.000 sollen es bereits sein, schätzt die US-Administration. Und nun beginnen die hemmungslosen Grausamkeiten des tödlich getroffenen Regimes auch die arabischen Brüder aufzurütteln, die die Turbulenzen in Syrien bisher mit entsetztem Schweigen verfolgten. Zum erstenmal erhoben am Wochenende die arabischen Golf-Monarchen, selbst von einer unzufriedenen Bevölkerung bedrängte Autokraten, gemeinsam ihre Stimme und forderten Bashar el Assad auf, „der Gewalt und dem Blutvergießen sofort ein Ende“ zu setzen. Zugleich drängten die Herrscher, die ihren Untertanen bis heute weitgehend demokratische Freiheiten verwehren, den Kollegen in Damaskus zu „ernsthaften und notwendigen Reformen, die die Rechte und Würde des (syrischen) Volkes schützen und deren Sehnsüchte erfüllen würden“.
Niemand aber in der Region hat es bisher gewagt, Regimewechsel zu fordern, zu gravierend, zu unabsehbar sind die Folgen solch dramatischer Veränderung in diesem kleinen Staat, der enorme geostrategische Bedeutung besitzt. Dennoch schwinden zunehmend die Zweifel, dass das Regime durch blutigen Massenmord an einer überwiegend wehrlosen Bevölkerung seine Macht retten kann. Diese Entwicklung stürzt die wichtigsten geopolitischen Spieler und Rivalen – Türkei, Saudi-Arabien und Iran - in Ratlosigkeit. Der türkische Premier Erdogan entsendet seinen Außenminister kommenden Dienstag nach Damaskus, um „unsere Botschaft (Ende der Geewalt und Reformen) in entschlossener Weise zu übermitteln. Die Türkei muss die Stimmen (der Syrer aller Seiten) hören und dann tun was notwendig ist“. Ankara betrachtet die Krise in Syrien, zu dem die Türkei eine 850 km lange Grenze hat, von enormer Bedeutung auch für die internen Entwicklungen – so Erdogan – im eigenen Land und der Regierungschef hatte Assad bereits mehrmals zu Reformen und einem Ende des Blutvergießens aufgefordert.
Seit langem stellt Syrien die wichtigste Säule in einer strategischen Allianz, die dieses „schlagende Herz der arabischen Welt“ mit dem Iran verbindet und anti-israelischen Kräften in der Region, allen voran der schiitischen libanesischen Hisbollah und den islamistischen Palästinensergruppen Hamas und Islamischer Jihad u.a. Seit dem Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein, Erzfeind Teherans, durch eine von den USA geführte internationale Invasion 2003 konnte der Iran in der Region enorme geostrategische Geländegewinne erzielen, die vor allem seinem religiösen und politischen Erzrivalen Saudi-Arabien tiefe Ängste vor einem die Vorherrschaft der islamisch-sunnitischen Mehrheit in der Region bedrohenden schiitischen Gürtel (vom Iran über den Irak, die Golfstaaten mit ihren schiitischen Minderheiten, Syrien bis in den Libanon) einjagte. In Teherans geostrategischer Planung spielt Syrien als Brücke und wichtigstem Verbindungsglied zu Hisbollah und den in Damaskus stationierten Hamas und Islamischer Jihad eine entscheidende Rolle.
Die engen Band des alawitischen Minderheitsregimes in Damaskus mit dem Iran reichen zurück in die frühen 80er Jahre, als Bahars Präsidentenvater Hafez el Assad als einiger arabischer Führer sich offen auf die Seite des Irans im Krieg gegen den von einer mit seiner rivalisierenden Baath-Partei in Bagdad schlug. Stürzt das Assad-Regime, würde eine neue politische Führung zweifellos von Vertretern der sunnitischen Mehrheit dominiert, eine Aussicht, die wohl eine Annäherung an das sunnitische Saudi-Arabien und die sunnitische Türkei zur Folge hätte und Riad die einzigartige Chance böte, Irans Vormarsch in der Region, auch im Sinne der USA und Israels, zurück zu drängen. Zudem würde das Haus al-Saud gerne die Bestrafung Assads für den Mord am sunnitischen libanesischen Ex-Präsidenten Rafik Hariri 2005, einem engen Verbündeten der Saudis, sehen. Für Riad herrscht kein Zweifel an Assads Schuld. Doch weder Saudi-Arabien, noch Teheran können sich zu einer klaren Strategie in der Syrien-Krise durchringen. So sehr die Saudis Assads politisches Ende auch begrüßen mögen, der Sturz eines arabischen Despoten durch ein sich nach Freiheit sehnendes Volk würde auch den eigenen, vorerst mit Milliarden-Gaben ruhig gehaltenen Untertanen erneut Auftrieb geben, sich für Würde, Menschenrechte und Mitbestimmung einzusetzen.
Größter Verlierer aber dürfte der Iran werden. Syrien ist für Teheran unersetzbar. Mit Assads Hilfe konnten die Iraner mit der Hisbollah einen wichtigen „Stellvertreter“ an Israels Nord-Grenze aufbauen. Um diesen Zugang nicht zu verlieren, unterstützt Teheran nach informierten westlichen Kreisen auch nach Kräften das bedrängte Regime in Damaskus mit Ratschlägen und Technologie, mit deren Hilfe die Iraner selbst 2009 eine bedrohliche Volksrevolte blutig erstickt hatten. Zugleich aber baut Teheran darauf, dass das syrische Volk dieselben anti-israelischen Gefühle hegt, wie sein verhaßtes Regime und ermahnt immer wieder Assad, den Willen der Syrer zu hören. Alle wissen, anhaltende Turbulenzen, ja gar ein Bürgerkrieg in diesem kleinen Staat hätte dramatische Folgen für die gesamte Region.
Sonntag, 7. August 2011
Irans Ängste um Assad
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