Freitag, 8. Juli 2011

Zermürbendes Patt im Jemen


Ein schwer verletzter Präsident präsentiert sich, hartnäckig an die Macht klammernd, dem Volk, während das Land immer tiefer ins Chaos stürzt


von Birgit Cerha

Seit einem Monat hoffen Jemens Demokratie-Aktivisten, ihre seit Januar anhaltenden friedlichen Proteste gegen das autokratische Regime Ali Abdullah Salehs hätten endlich Erfolg. Die Hoffnung, der durch ein Bombenattentat am 6. Juni offenbar schwer verletzte Präsident werde von seinem Spitalsaufenthalt in Saudi-Arabien nicht mehr heimkehren und den Weg zur Demokratie frei machen, hat sich – zunächst – zerschlagen. Saleh sprach Freitag erstmals seit dem Anschlag , an Brust und Händen bandagiert und mit Brandwunden im Gesicht versehen, über das Staatsfernsehen zu seinen Untertanen. Acht Operationen hätte er sich unterziehen müssen, erklärte er. Doch von Rücktritt will dieser Meister der politischen Überlebenskunst auch weiterhin nichts wissen. Er bietet vage eine Machtteilung an und sein Vizepräsident Abd-Rabbu Mansour Hadi, der derzeit die Amtsgeschäfte führt, präsentiert der Opposition einen neuen Plan zur Lösung der das Land zerreißenden Krise.
Saleh hatte jeden Ausweg aus dem Konflikt mit jugendlichen Aktivisten und Oppositionskräften blockiert, sich zuletzt mehrfach geweigert, einen unter Führung Saudi-Arabiens erarbeiteten Übergangsplan, der seinen Abtritt 30 Tage nach Unterzeichnung eines Übereinkommens mit der Opposition, sowie totale Straffreiheit vorsah, zu unterzeichnen. Hadis neuer Plan sogar noch eine längere Übergangsphase mit Saleh an der Macht vor. Dies, sowie die Straffreiheit dieses zutiefst korrupten Führers ist für die Aktivisten inakzeptabel. Sie wollen, wie ihre Gesinnungsgenossen in Tunesien und Ägypten, endlich die Herrscher, die jahrzehntelang blutig zuschlugen und sich auf Kosten des Volkes massiv bereicherten für ihre Taten zur Verantwortung ziehen.

Dazu gilt es im Jemen noch einen weiten Weg zurück zu legen. Denn, wiewohl der Präsident das Land – vorerst? – verlassen hat, sitzen seine engsten Verwandten unverändert an den Schalthebeln der Macht und kontrollieren den Sicherheitsapparat. Sie haben gigantische Vermögen zu verlieren, während mehr als die Hälfte der Bevölkerung in bitterer Armut verzweifelt.

Dennoch erheben sich allmählich Stimmen, die nach einem Ende der das Land total lähmenden Demonstrationen rufen. Denn der soziale und ökonomische Preis nimmt unerträgliche Ausmaße an. Nach einer Studie des „Economic Media Center“ ist eine wachsende Zahl von Jemeniten von Hunger bedroht. Seit Januar sind die Preise für lebenswichtige Güter um 40 bis 60 Prozent gestiegen, Trinkwasser um 200 und Treibstoff um 900 Prozent. Rund zehntausend Familien können sich nicht mehr ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgen. Die sozialen und psychischen Folgen der Krise bedrohen die Zukunft der Bevölkerung.

Zugleich wird das Land zunehmend unregierbar. Insbesondere in dem nach Sezession drängenden Süden nimmt die Gewalt alarmierende Ausmaße an. Diese Anarchie bietet Terrorgruppen der Al-Kaida ein ideales Aktionsfeld.

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