Die Al-Ahmar Familie von Milliardären im bitterarmen Jemen: von Machtansprüchen und Rache getrieben
(Bild: Hamid al Ahmar)
von Birgit Cerha
„Saleh (Jemens Präsident) ist ein Lügner, Lügner, Lügner. Er wird dieses Land barfüßig verlassen.“ Diese drohende Prophezeiung, vom mächtigen Führer der Haschid-Stammeskonföderation, Sadik al Ahmar, gegenüber „Al-Jezira“ inmitten eines blutigen Konflikts mit den Regierungstruppen in Sanaa Ende Mai ausgestoßen, hat sich unterdessen beinahe erfüllt. Bei dem ersten direkten Anschlag gegen ihn seit Beginn der Proteste vor vier Monaten verwundet, flog Saleh Sonntag nach Saudi-Arabien, das unterdessen einen Waffenstillstand zwischen den Stammeskriegern der Ahmars und den von Salehs Sohn Ahmed kommandierten Revolutionsgarden aushandelte. Mehr als hundert Tote forderte dieser blutige Machtkampf in Jemen allein in den vergangenen Tagen.
Ist der Weg zur Macht für die Ahmars nun frei oder wird der gequälte Jemen weiter durch Stammeskriege zerrissen?
Als junge, sich nach Demokratie, Freiheit und einem Ende der himmelschreienden Korruption sehnende Jemeniten, unterstützt von Angehörigen der Zivilgesellschaft im Januar mit bis heute anhaltenden Sitzstreiks im Zentrum von Sanaa ihre Kampagne zur Durchsetzung von Reformen begannen, da hielten sich die Stämme, an der Spitze die Ahmars, vollends im Hintergrund. Doch als die Proteste an Stärke gewannen, erkannten die Ahmars eine Chance, ihren Erzrivalen Saleh in die Knie zu zwingen und begannen mit finanzieller und praktischer Unterstützung der Demonstranten. Im Februar legte Sadik seine Positionen in Salehs „Volkskongreß-Partei“ zurück und schloss sich im März den Forderungen der Jugend-Opposition nach einem friedlichen Abgang Salehs an. Nach dem jüngsten Blutbad, das Salehs Sicherheitskräfte unter friedlichen Demonstranten am 26. Mai anrichteten, verschärfte sich der Konflikt zwischen den Ahmars und Saleh dramatisch. Als Antwort auf einen Haftbefehl gegen Sadik und dessen neun Brüder, übernahmen bewaffnete Stammeskrieger auf Sadiks Befehl mehrere Regierungsgebäude. Damit brach ein lange schwelender Konflikt zwischen zwei Familien um die Macht im Jemen blutig aus.Während Salehs Anhänger die Ahmars für den Raketenangriff auf den Präsidentenpalast vom Freitag verantwortlich machen, sprechen die Hamids von einem Trick Salehs, um eine darauffolgende Attacke gegen Residenzen der Brüder zu rechtfertigen.
Der Rivalitätskampf zwischen den beiden Familien reicht weit zurück. Die Ahmar-Familie dominiert Politik und Wirtschaft des Jemen seit Jahrzehnten. Es war der 2007 verstorbene Stammesführer Scheich Abdullah, gewesen, der vor 33 Jahren den Weg des jungen Offiziers mit nur Volksschulausbildung zur Spitze des Staates (damals des Nord-Jemen) geebnet hatte. Bis zu seinem Tod blieb Abdullah Saleh gegenüber loyal. Doch danach brachen schwere Rivalitäten zwischen Abdullahs zehn Söhnen, die sich als die wahren Erben des Jemen betrachten, und Saleh aus, der die Macht seinem Sohn und seinen Neffen zu sichern suchte.
Die Ahmars, Milliardäre im bitterarmen Jemen, verdanken ihren Reichtum jahrzehntelanger Großzügigkeit Saudi-Arabiens, die diese Familie zu ihrem wichtigsten Verbündeten im strategisch wichtigen Nachbarland erkor. Während Sadik nach dem von Riad beeinflußten Willen des Vaters die Stammesführung übernahm, ist sein jüngerer, charismatischer Bruder Hamid der politisch ehrgeizigste im Kreis der Zehn. Er besitzt ein Geschäftsimperium, das von einer Telefonfirma, über Fernsehen, eine Bank bis zu zahlreichen anderen Unternehmen reicht. Das hinderte ihn nicht daran,zum führenden Mitglied der islamisch-oppositionellen Islah-Partei aufzusteigen und seit 2006 offen Salehs Sturz zu betreiben. Im Vorjahr warf er in einem Interview mit Al Jezira dem Präsidenten „Hochverrat“ vor, weil er den Jemen wie ein Familienunternehmen beherrsche, eine Kritik, die nicht der Ironie mangelt.
Je mehr die staatliche Autorität seit Beginn der Proteste zerfiel, desto stärker erlebte die uralte Stammesstruktur mit ihren Gesetzen der Blutrache eine neue Blüte. Damit wuchs der Einfluss der Ahmars noch mehr, ein wichtiger Grund für Saleh, den von den Golfstaaten vermittelten Plan für seinen Abtritt abzulehnen. Denn dem darin enthaltene Versprechen auf Straffreiheit konnte der Präsident nicht vertrauen, da seine Sicherheitskräfte mit einem blutigen Angriff auf eine Stammesdelegation von Vermittlern in diesem Konflikt die Stammesgesetze brachen.
Doch die Demokratie und Freiheit suchende Jugend misstraut den Ahmars zutiefst, Sadik und Hamid ebenso, wie deren Vetter General Ali Mohsen, der sich im März mit einem großen Teil seiner Ersten Bewaffneten Brigade von Saleh getrennt hatte und seither die Demonstranten schützt. Er widerstand jedoch dem Werben Sadik Ahmars, sich dem bewaffneten Kampf gegen Saleh anzuschließen. Die Familie hat sich durch ihren Weg zu unermäßlichem Reichtum in diesem bitterarmen Land viele Gegner geschaffen, die heute fürchten, dass ihr Aufstieg zur Macht das Land nicht aus der Hölle von Korruption, Armut und Elend reißen werde.
Sonntag, 5. Juni 2011
Salehs gefährlichste Gegenspieler
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen