Unruhen im winzigen Königreich gelten als Warnung für andere Ölstaaten am Persischen Golf
Birgit Cerha
Das Zentrum Manamas glich Donnerstag einem Schlachtfeld. Kolonnen von Panzern und Polizeiautos blockierten jedes Leben, nachdem die Sicherheitskräfte Bahrains in der Nacht zuvor Tausende Demonstranten mit ungeheuerlicher Brutalität vom Hauptplatz der Stadt vertrieben hatten. Politische Aktivisten hatten Mittwoch abend auf dem zentralen „Perlenplatz“ ihre Zelte aufgeschlagen und geschworen, dort auszuharren, bis ihre Forderungen nach demokratischen Reformen, der Freilassung politischer Aktivisten und dem Rücktritt des Premierministers erfüllt seien. Die große Zahl der Demonstranten und deren Entschlossenheit lässt das Königshaus erzittern.
Hatte sich König Hamad bin Isa al-Khalifa noch vor zwei Tagen für den Tod von zwei Männern entschuldigt, die bei der ersten Protestkundgebung am Montag und beim Begräbnis des Opfers am Dienstag von Sicherheitskräften erschossen worden waren, so setzt der Monarch nun auf gnadenlose Härte. Doch die vier Toten und rund 300 Verletzten, darunter viele Kinder, die die Aktionen der Sicherheitskräfte in der Nacht auf Donnerstag forderten, haben den Volkszorn aufgeheizt. Selbst im zentralen Hospital der Stadt begannen Ärzte Slogans gegen das Königshaus zu rufen, nachdem Polizisten sogar Verletzte aus Ambulanzen gezerrt und deren Fahrer attackiert hatten.
Sprecher von Oppositionsgruppen schworen Donnerstag, mit ihren Protesten fortzufahren, um eine Demokratisierung des Landes zu erreichen, „selbst wenn manche von uns ihr Leben verlieren“, betont Ibrahim Sharif von der säkularen Waad-Partei. „Eine Regierung, die ihre eigenen Untertanen tötet, besitzt keine Legitimität“, fasste Mohammed Almizal führender Parlamentsabgeordneter der größten Schiitengruppierung Al-Wefaq, die weitverbreitete Stimmung zusammen.
Wiewohl Bahrain unter den Ölstaaten am Persischen Golf einen Sonderfall darstellt, lässt es doch die autokratischen Herrscher der Region erzittern. Auf der kleinen Insel im Persischen Golf leben kaum mehr as 1,2 Millionen Menschen, die Hälfte davon Gastarbeiter. Bahrain aber ist der einzige der regionalen Ölstaaten, in dem eine sunnitische Minderheiten-Elite seit rund 200 Jahren über eine schiitische Mehrheit herrscht, die etwa 70 Prozent der Bevölkerung stellt und traditionell als „Bürger zweiter Klasse“ behandelt wird. Bahrains Schiiten haben enge familiäre Bande zu Glaubensbrüdern im Iran und Revolutionsführer Khomeini hatte einst auf diese Bevölkerungsgruppe gesetzt, um seine Revolution über die im ölreichen Osten Saudi-Arabiens lebende schiitische Minderheit auf die gesamte arabische Halbinsel auszubreiten.
Bahrains Herrscher versuchen seit langem den Iran für wiederholte Konflikte mit der bedrohten Bevölkerungsmehrheit verantwortlich zu machen und haben sich durch enge Bindungen vor allem an die USA abgesichert. Die Insel dient Washington als Hauptquartier für seine Fünfte US-Flotte. In Wahrheit aber agiert die schiitische Opposition keineswegs im Auftrag Teherans. Sie setzt sich nach den Worten eines ihrer Führer für eine „echte, und nicht für eine klerikale, Demokratie“ ein. Zudem hat das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte die Schiiten mit den nach Demokratie strebenden Sunniten Bahrains geeint. Gemeinsam riefen sie Mittwoch abend nach einer neuen, demokratischen Verfassung.
Seit Hamad bin Isa 1999 die Macht übernahm, versprach er dem Volk demokratische Formen, wandelte das Emirat 2002 in eine konstitutionelle Monarchie und rief das Volk zu Wahlen für ein neues Parlament. Doch die Reformen blieben in Wahrheit kosmetisch, insbesondere da die Macht des Parlaments durch ein vom König bestelltes Oberhaus eng begrenzt ist. Der König garantiert zwar ein größeres Maß an Pressefreiheit als seine Kollegen am Golf, doch ging jüngst radikal gegen oppositionelle Websites und Zeitungen vor. Besonders erboßt die Bevölkerung die Tatsache, dass der Herrscher seine Sicherheitskräfte durch ausländische Sunniten – aus Pakistan, Jordanien und dem Jemen – bemannt, die nun ungehemmte Brutalität zeigen.
Mehr als andere Ölstaaten am Golf verfolgt Saudi-Arabien die Entwicklungen in Bahrain mit größter Sorge. Die Saudis sind durch einen Damm mit der Insel verbunden, wo viele ihrer Bürger regelmäßig ein wenig persönliche Freiheit genießen, die ihnen daheim versagt bleiben. Die Ereignisse in Bahrain drohen, die frustrierte schiitische Minderheit in Saudi-Arabien anzustecken. Deshalb gaben Kreise um den mächtigen Innenminister Prinz Nayef bereits klar zu verstehen: Riad werde, wenn nötig, direkt intervenieren, sollte die Situation in Bahrain außer Kontrolle geraten.
Donnerstag, 17. Februar 2011
Bahrain zerschlägt Proteste mit voller Brutalität
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