Mittwoch, 4. August 2010

IRAN: Verwirrung um Attentatsversuch auf Ahmadinedschad

Vor dem Hintergrund wachsenden Drucks von außen gerät Irans Präsident immer stärker in die Isolation

von Birgit Cerha

Das offizielle Teheran wies Mittwoch energisch Berichte zurück, Präsident Ahmadinedschad sei bei einem Besuch der west-iranischen Provinz Hamedan nur knapp einem Attentatsversuch entkommen. Im Präsidentenamt in Teheran bezichtigte man rasch westliche Medien, ein derartiges Gerücht in die Welt gesetzt zu haben. In Wahrheit war es die Ahmadinedschad nahe stehende Website „Khabaronline“ gewesen, die als erste die Nachricht verbreitet hatte. Danach sei ein selbstgebauter Sprengsatz in der Nähe eines Fahrzeuges mit iranischen Journalisten explodiert, die den Präsidenten auf seiner Reise begleitet hatten. Ahmadinedschad selbst sei unverletzt geblieben. Der Attentäter sei festgenommen worden.
Den ersten Berichten folgte eine Bestätigung durch das Präsidentenamt, doch bald darauf ein Dementi, das Ahmadinedschad selbst einige Stunden später bekräftigte. Es habe sich lediglich um einen Feuerwerkskörper gehandelt, hieß es schließlich aus dem Präsidentenbüro. Solch krasse Widersprüche lösten völlige Verwirrung und viel Skepsis aus. Ungeachtet der offiziellen Dementi veröffentlichte „Raja news“, eine Website erzkonservativer Parlamentarier, die in der Vergangenheit Ahmadinedschad sowohl kritisiert als auch unterstützt hatte, weiterhin die Meldung über den Attentatsversuch. Iraner weisen darauf hin, dass Ahmadinedschad erst tags zuvor in einer offiziellen Rede behauptet hatte, seine „zionistischen“ Feinde (gemeint ist Israel) hätten Agenten ins Land geschickt, um ihn zu ermorden.

Iraner glauben offiziellen Erklärungen des Regimes schon lange nicht mehr, insbesondere wenn es sich um angebliche Komplotte gegen die herrschenden „Gottesmänner“ handelt. So hatte eine Behauptung Ahmadinedschads, die Amerikaner hätten bei seinem Besuch im Irak im Vorjahr versucht, ihn zu entführen, weithin ironische Reaktionen ausgelöst. Anderseits ist bekannt, dass der Präsident, der intensiv Reisen in die Provinzen unternimmt, um dort unter dem einfachen Volk um Anhänger zu werben, seiner persönlichen Sicherheit nur geringe Bedeutung beimisst, nicht zuletzt auch, um besser direkten Kontakt mit der Bevölkerung zu pflegen. Während sich dies in einigen Landesteilen, etwa in dem weiter nordwestliche gelegenen Kurdistan, im südwestlichen von einer zutiefst unzufriedenen arabischen Minderheit bewohnten Khusistan und vor allem im südöstlichen Rebellengebiet von Sistan-Belutschistan ungeachtet massiver Repressionen als äußerst gefährlich erweisen könnte, gilt die Region um Hamedan als stabil, erzkonservativ, von keinen der unterdrückten Minderheiten bewohnt. In Hamedan leben vielen Anhänger des Präsidenten.

Der Zwischenfall wirft jedoch ein Schlaglicht auf die wachsenden Spannungen innerhalb der Führung. Ahmadinedschad gerät immer stärker unter Druck, nicht nur aus der Bevölkerung. Wochenlange Proteste der mächtigen Bazar-Händler gegen Steuererhöhungen setzten dem Präsidenten enorm zu. Zudem haben sich die pragmatischen Konservativen im Regime unter Führung von Parlamentspräsident Ali Laridschani nun zu einer Front gegen den Präsidenten zusammen geschlossen. Ihre Hauptwaffe ist die katastrophale Wirtschaftslage, die die neue UN-Sanktionsrunde noch weiter dramatisch verschärfen wird.

Bildquelle: http://www.inmyrightmind.com/images/ahmedinejad.jpg

Erschienen in der "Frankfurter Rundschau" am 05.08.2010

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