Wie Syriens Präsident aus schwächster Position in den Mittelpunkt der amerikanischer Nahostpolitik rückte
von Birgit Cerha
Der Triumph ist fast voll. Noch vor sechs Jahren verglichen führende amerikanische Politiker das syrische Regime unter Bashar el Assad mit einer „reifen Frucht“, die rasch abfallen und den Kreis westlichen Einflusses in der Region schließen würde. Der Mord an dem libanesischen Ex-Premier Hariri 2005, für den weithin das Regime in Damaskus verantwortlich gemacht wurde, schien Assads Untergang noch zu beschleunigen. Mit dem demütigenden Truppenrückzug aus dem Nachbarstaat verlor der Syrer eine wichtige strategische Karte. Die von dem damaligen US-Präsidenten Bush betriebene internationale Isolation sollte dieses Glied der „Achse des Bösen“, in die Bush Syrien mit einschloss, endgültig unschädlich machen.
Dass Bushs Strategie gescheitert ist, hat sein Nachfolger Obama bald erkannt und durch die Entscheidung, nach fünf Jahren wieder einen US-Botschafter nach Damaskus zu entsenden, eine neue Phase des Dialogs eingeleitet, in der Erkenntnis, dass dies US-Interessen mehr nützen würde als Isolation. Der US-Nahostbeauftragte Mitchell anerkannte denn auch Syriens „ausschlaggebende Rolle“ bei der Suche nach Frieden und Stabilität im Mittleren Osten - und dies, wie man in Damaskus stolz betont, ganz ohne dass Assad von seiner prinzipientreuen Politik abgerückt wäre. Zudem ist eine internationale Isolation an europäischem Widerstand gescheitert und Syriens Wirtschaft hat sich unterdessen kräftig erholt.
Doch die Wiedereröffnung der Botschafter-Residenz ist nur ein erster Schritt. Gravierende Meinungsverschiedenheiten und tiefes Misstrauen stehen einer neuen Freundschaft mit der Supermacht im Wege. In Damaskus weist man skeptisch darauf hin, dass Obama nicht nur Syrien nicht von der Liste der Terrorstaaten gestrichen, sondern im Vorjahr harte von Bush verhängte Sanktionen erneuert hat.
Wie stets für seinen Vater, gilt auch für Bashar die volle Wiedererlangung der von Israel 1967 besetzten Golanhöhen als höchste Priorität. Washington dürfte einem Friedensprozess zwischen Israel und Syrien große Bedeutung beimessen, in der Hoffnung, dass damit vielleicht auch der Konflikt mit den Palästinenser aus der Sackgasse geführt werden könnte. Doch seit der Wahl Netanyahus zum israelischen Premier im Vorjahr stehen die Zeichen eher auf Sturm, regionale Kommentatoren sprechen immer häufiger von drohender Kriegsgefahr zwischen der schiitischen Hisbollah, Syriens engstem Verbündeten, und Israel im Libanon. Netanyahu hatte im Wahlkampf bekräftigt, Israel werde niemals den Golan räumen und fordert unterdessen direkte Verhandlungen mit Syrien ohne Vorbedingung. Assad hingegen zieht eine Wiederaufnahme der indirekten Gespräche über die Türkei vor, die als Folge des Gaza-Feldzuges der Israelis 2008 abgebrochen worden waren. Doch die Israelis halten Ankara nun für all zu pro-arabisch. Direkte Verhandlungen kämen erst in Frage, wenn Israel „die volle Rückgabe von Land und (syrischen) Rechten“ garantiere. Die Hoffnung, dass Obama die Regierung in Jerusalem zu einem Kompromiss drängen könnte, schwand in Damaskus, nachdem der US-Präsident seine Forderung nach einem totalen jüdischen Siedlungsstopp in Palästinensergebieten aufgrund massiven israelischen Widerstandes aufgegeben hatte.
Doch Assad hält heute wieder alle verloren geglaubten strategischen Karten fest in seiner Hand. In der arabischen Welt ist er nach der Aussöhnung mit dem saudischen Rivalen um die Kontrolle des Libanons im Vorjahr wieder voll rehabilitiert und geachtet. Die Umarmung mit König Abdullah ebnete den Weg zum Besuch Saad Hariris, des pro-westlichen, von Riad unterstützten Sohns des ermordeten Ex-Premiers in Damaskus, wo der unterdessen selbst zum libanesischen Premier Gekürte mit Assad enge Kontakte einleitete. Hariri, wie fast alle libanesischen Politiker anerkennen nun die große Bedeutung der Freundschaft mit Syrien, das sich durch das Vetorecht seiner Verbündeten, insbesondere Hariris Koalitionspartner Hisbollah, wieder dominierenden politischen Einfluss im Nachbarstaat sicherte.
Obama dürfte nun aber, im Gegensatz zu Bush, nicht mehr auf einen Bruch Assads mit Hisbollah oder der palästinensischen Hamas drängen, sondern vielmehr auf einen mäßigenden Einflusses durch den neuen syrischen Freund setzen. Vor allem geht es den Amerikanern aber auch um eine konstruktive Rolle Syriens bei der Stabilisierung des Iraks, wo Anfang März kritische Parlamentswahlen abgehalten werden. Vor einem Jahr hatte Syrien durch scharfe Kontrolle der langen, porösen Grenze für Ruhe in den von arabischen Sunniten bewohnten Nachbarregionen gesorgt und damit für eine hohe Beteiligung bei wichtigen Regionalwahlen.
Dass weder Peitsche, noch Zuckerbrot Syrien aber aus der engen strategischen Umarmung mit dem Iran reißen kann – ein Ziel, das die nun verschärfte Sanktionen gegen Teheran erstrebenden Amerikaner verfolgen – hat die jüngere Geschichte bewiesen. „Man darf doch nicht vergessen“, meint dazu ein libanesischer Politologe, „der Iran war lange das einzige Land, das treu zu Syrien gestanden ist“. Und die Allianz mit dem „Gottesstaat“ sichert Assad eine unverzichtbare Karte im heißen diplomatischen Spiel.
Mittwoch, 17. Februar 2010
Syrien: Assads Ausbruch aus der Isolation
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