Montag, 8. Februar 2010

IRAN: Ahmadinedschad brüskiert, provoziert und schockiert

Neues Waffenprogramm, erhöhte Urananreicherung, Pläne für zehn Atomanlagen: Ein geschwächtes Regime lenkt von gefährlicher Machtprobe ab

von Birgit Cerha

Irans intern schwer angeschlagener Präsident Ahmadinedschad überstürzt sich mit Provokationen. Kaum schöpfte die Weltgemeinschaft ein wenig Hoffnung, da folgte schon Gegenschlag auf Gegenschlag. Bis Samstag hatte es noch ausgesehen als werde der Iran endlich einem internationalen Angebot zustimmen, sein nur auf 3,5 Prozent angereichertes Uran nach Russland zu transportieren, wo es auf den Grad von 20 Prozent gebracht werden soll, um dann in dem medizinischen Forschungsreaktor bei Teheran eingesetzt werden zu können. Den Kompromiß hatte die Atomenergiebehörde (IAEA) im Oktober ausgearbeitet und Ahmadinedschad deutete in der Vorwoche Bereitschaft zur Billigung an.

Doch nun beschuldigt Irans Präsident in altgewohnter Aggressivität den Westen „Spielchen“ zu treiben und ließ Montag den Leiter der Atombehörde, Ali Akbar Salehi, die IAEA brieflich über den Beginn der umstrittenen Urananreicherung auf 20 Prozent informieren. Schon heute, Dienstag, soll in der zentraliranischen Anlage Natanz unter Anwesenheit von IAEA-Inspektoren mit dem Prozess begonnen werden.

Samstagabend hatte Ahmadinedschad im staatlichen Fernsehen den Bau von zehn neuen Uran-Anreicherungsanlagen binnen einen Jahres angekündigt. Und Montag folgte die nächste Provokation: Das staatliche Fernsehen meldete den Beginn einer Serienproduktion von Drohnen, die sowohl Aufklärungsflüge, als auch Präzisionsangriffe durchführen würden. Man hätte bereits zwei Produktionslinien gestartet. Der Iran entwickelte nach eigenen Angaben bereits Drohnen, die mit einer Reichweite von tausend Kilometern Israel anfliegen könnten. Zudem gab ein hoher Offizier der Luftwaffe bekannt, dass der Iran bald mit dem Aufbau eines eigenen effizienten Raketenabwehrsystems beginnen werde.

Wie so oft dringen Widersprüche aus dem „Gottesstaat“. Während Ahmadinedschad einmal Einlenken gegenüber dem Drängen der internationalen Gemeinschaft auf einen Atomkompromiß andeutet, eskaliert er den Konflikt, wann immer es ihm aus internen Erwägungen zweckmäßig erscheint. Doch er vermag bei dieser Strategie die tiefen Spaltungen im Regime nicht zu überdecken. So auch nun in der Frage der 20-prozentigen Anreicherung. Rasch versuchte Salehi die internationale Gemeinschaft mit der Bemerkung zu beschwichtigen, der Anreicherungsprozeß werde gestoppt, „sobald wir den Brennstoff aus dem Ausland erhalten“. Ahmadinedschad weist dies jedoch entschieden zurück: „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“

Der Iran benötigt dringend 20-prozentiges Uran für den Einsatz in seinem medizinischen Reaktor in Teheran, etwa für die Krebsterapie. Der Vorrat geht schon sehr bald zu Ende. Doch die internationale Gemeinschaft befürchtet, wenn der Iran selbst sein Uran auf 20 Prozent anreichert, dann könnte er in einer weiteren Stufe schließlich die Fähigkeit zum Bau von Atombomben erlangen. Für Atomwaffen ist ein Anreicherungsgrad von mindestens 85 Prozent erforderlich.

Ahmadinedschad beharrt auf der Absicht des „Gottesstaates“, keine Atomwaffen zu bauen und der „Geistliche Führer“, Khamenei hatte vor wenigen Monaten gar eine Fetwa, (islamisches Rechtsgutachten) erlassen, in dem er entschieden das Verbot der Produktion von Atombomben festlegt. Doch die internationale Gemeinschaft läßt sich davon nicht überzeugen, wiewohl die IAEA auch keine Beweise für eine Prozeß zur Herstellung von Atomwaffen präsentieren kann.

Die von Ahmadinedschad bekundete Absicht, zehn neue Urananreicherungs-Anlagen zu bauen, löst unter Experten und Diplomaten Kopfschütteln aus. Der Plan erscheint völlig unrealistisch und überehrgeizig, da selbst die USA nur über eine oder zwei derartige Anlagen verfügen und bis heute Irans einzige in Natans immer noch nicht fehlerfrei funktioniert.

Ahmadinedschads Strategie ist klar: Durch maximal Provokation will er die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft von den dramatischen internen Entwicklungen ablenken, der für Donnerstag erwarteten Kraftprobe zwischen dem Regime und der oppositionellen „Grünen Bewegung“, die seit Wochen beide Seiten in Atem hält. Das Regime hat bisher all seine Fantasie mobilisiert, um mit einer Strategie von Zuckerbrot und Peitsche seine Gegner von den Straßen fernzuhalten, wenn es - wie alljährlich mit Massenkundgebungen - am 11. Februar den 31. Jahrestag der Gründung der „Islamischen Republik“ feiert und damit seine eigene Position zu stärken hofft. Doch die symbolischen Führer der „Grünen Bewegung“ rufen seit Tagen ihre Anhänger auf, sich den Kundgebungen durch Demonstration gegen die massiven Repressionen und die illegale Wahl Ahmadinedschads anzuschließen. Es erscheint höchst zweifelhaft, dass sich die ob der Brutalitäten von Khamenei kommandierten Sicherheitskräfte zutiefst erboßten Massen durch die ersten Exekutionen wegen Beteiligung an Protesten Verurteilter und neun weitere Todesurteile, sowie eine seit Wochen das Land terrorisierende Verhaftungswelle einschüchtern oder ob sie sich durch neue kleine Freiheiten (westliche Musik in Restaurants, das Ausbleiben von Schikanen gegen Frauen, die gegen das Kleidergebot verstoßen u.a.) beschwichtigen lassen. Der 11. Februar 2010 könnte sich als Schicksalstag für den Iran erweisen.

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