Eine Allianz von Al Kaida und Baathisten gewinnt an Schlagkraft dank der Inkompetenz und Korruption der politischen Führer
von Birgit Cerha
Nouri al Maliki, der durch die katastrophale Bombenserie im Herzen Bagdads schwer bedrängte irakische Premier, richtete Mittwoch einen eindringlichen Appell an die internationale Gemeinschaft, doch mehr zu tun, um das Land zu retten. „Unsere Feinde – die Feinde von Freiheit, Demokratie, Stabilität und Sicherheit – richten ihre üblen Taten gegen unsere kontinuierlichen Errungenschaften.“ Ihre Strategie aber müsse fehlschlagen, wenn das gesamte irakische Volk sich die Hand reicht.
Vorerst aber hat der Terror des „blutigen Dienstags“, des 8. Oktober, die Kluft zwischen den irakischen Bevölkerungsgruppen und Fraktionen noch tiefer gerissen. Zornige Parlamentarier ziehen Maliki und dessen Sicherheitschefs empört zur Rechenschaft. Wie – so die Frage, die vielen auf den Lippen brennt – wie ist ein derartiges Blutbad (127 Tote und mehr als 55 Verletzte – die Zerstörung von Regierungsgebäuden im Zentrum Bagdads möglich. Bereits im August und im Oktober war es zu ähnlich brutal koordinierten Anschlägen gegen Regierungsgebäuden mit ähnlich hohen Opferzahlen gekommen und Maliki hatte energisch verschärfte Sicherheitsvorkehrungen verheißen. Wie können Terroristen derart große Mengen an Sprengstoff durch die Straßen von Bagdad schmuggeln, die durch Betonwälle und unzählige Straßenkontrollen abgesichert sein sollte?
Parlamentarier, wie der unabhängige Kurde Mahmud Othman, zeigen offen ihrer Ärger. „Das Volk ist empört. Wir wollen Informationen über den Sicherheitsplan (der Regierung) und über die Ergebnisse der Untersuchungen“ der beiden vorangegangenen Terrorserien. Abgeordnete rufen nach der Auflösung der „Bagdad Brigaden“, die unter direkter Kontrolle Malikis steht und für die Sicherheit in der Metropole sorgen sollte.
Nouri al Badran, Innenminister von 2003 bis 2004 unter der „Provisorischen“ von den Amerikanern eingesetzten Regierung, sieht die Ursache dieses bedrohlichen Zusammenbruchs der Sicherheit im Irak weniger in der Stärke radikaler Widerstandskräfte, als in einem erbitterten Konkurrenzkampf zwischen den zahlreichen Geheimdiensten und Sicherheitskräften, sowie zwischen dem Militär und dem Innenministerium. „Es gibt keine Rechenschaftspflicht und keine effektive Beaufsichtigung“ der diversen Organisationen, die die Interessen der jeweiligen Gruppen verfolgen, in deren Dienst sie stehen, bzw. vorrangig auch ihre eigenen. So ist denn Korruption eine der Hauptursachen für den drohenden Rückfall des Iraks in blutiges Chaos. Ein jüngst veröffentlichter Bericht des Innenministeriums gibt Einblick in die Methoden der Bestechung von Sicherheitsbeamten, die ihre Arbeit an Straßenkontrollpunkten verrichten. Allein im August sollen danach 10.000 Dollar an Schmiergeldern bezahlt worden sein, um Al-Kaida Selbstmordattentäter durch Checkpoints zu schleusen. Auch Gefängniswerter werden eifrig bestochen. Nach offiziellen Quellen in Bagdad sollen auf diese Weise viele gefährliche islamistische Gefangene freigekommen sein und Sicherheitsexperten sehen in dieser Entwicklung eine der Ursachen für die erneut aufflammende Gewalt.
Irakische Regierungsvertreter, allen voran Maliki, hegen keine Zweifel an der Identität der Drahtzieher des Terrors: Al-Kaida, der es gelungen sei, sich mit führenden Baathisten des gestürzten Regimes mit dem Ziel zu verbünden, nicht nur den politischen Prozess zur Stabilisierung des Iraks zu erschüttern, sondern überhaupt die Regierung zu Fall zu bringen.
Zwar hat sich bisher niemand die Verantwortung für die Anschläge übernommen, doch im Oktober bekannte sich Al-Kaida zu der damaligen Bluttat, die 150 Menschenleben gefordert hatte. Es gehe ihr dabei um „Angriffe auf die Säulen dieses schiitisch-sufistischen Staates“, den sie, gemeinsam mit anderen sunnitischen Extremistengruppen nicht zuletzt deshalb vehement ablehnt, weil ihn die schiitische Mehrheit des Landes dominiert.
Eine massive, von den Amerikanern geleitete Militärkampagne hatte im Vorjahr unter Einsatz auch der irakischen Sicherheitskräfte und sunnitischer Milizen der sog. „Erweckungsräte“ der Al-Kaida im Irak, die 2004 und 2005 den Terror im Land auf einen Höhepunkt getrieben hatte, schwere Schläge versetzt. Seither haben diese sunnitischen Extremisten ihre Strategie entscheidend verändert. Die Terrorgruppe hat sich „irakifiziert“, verfügt nach Aussagen hoher US-Militärs heute nur noch über eine verschwindende Zahl von Ausländern. Hauptfeind ist nicht mehr die US-Armee, die sich vergangenen Juni aus den irakischen Städten zurückgezogen hatte, sondern die dadurch verwundbarer gewordenen irakischen Regierungsinstitutionen. Die Tatsache, dass sie zu derart ausgefeilten Anschlägen in der Lage sind, lässt Experten vermuten, dass es ihr tatsächlich gelungen sein könnte, mit ehemaligen Offizieren des gestürzten Regimes Saddam Hussein eine Allianz zu schließen.
Ungeachtet wiederholter Versprechungen hat Maliki keinen Versöhnungsprozeß mit den Baathisten eingeleitet. Ganz im Gegenteil. Wiederholte Erklärungen, Baathisten würden die für 7. März angesetzten Parlamentswahlen nutzen, um wieder die Macht im Lande zu erobern und er sei entschlossen, dies unter allen Umständen zu verhindern, könnten durchaus der Gewalt neuen Nährboden verleihen. Und al-Kaida nützt diese internen Spannungen, die Lähmung einer Regierung, in der der Innenminister etwa nicht mit dem Premier spricht, sowie die tiefen Frustrationen einer Bevölkerung, die immer noch unter einer katastropheln wirtschaftlichen Situation, mangelnder Infrastruktur und der himmelschreienden Unfähigkeit ihrer politischen Führer leidet.
Mittwoch, 9. Dezember 2009
IRAK: Neue Schlacht um Kontrolle über den Irak
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