Drei Jahrzehnte schlugen Islamisierungsversuche fehl – Nun bläst Khamenei zu einer zweiten Kulturrevolution
Ahmadi, Ahmadi, das ist die letzte Botschaft an dich, dass die Grüne Bewegung bereit ist zum Aufstand“, brüllten Studenten an der Teheraner Universität. Oppositionelle iranische Websites und Blogger melden Protestkundgebungen zu Beginn des neuen Studienjahres an diversen Universitäten des Irans. Studentenvertreterberichten meinen eine neue Atomosphäre an den höchsten Lehranstalten zu erkennen, wo massive Repressionen der vergangenen Jahre ein Klima der politischen Apathie geschaffen hatten. Die Protestwelle gegen die Manipulation der Präsidentschaftswahl im Juni hat Irans Jugend aus ihrem politischen Zwangs-Schlaf gerissen und zumindest einige von ihnen zu neuem Mut aufgestachelt. Sie lassen sich nicht mehr durch brutale Übergriffe der paramilitärischen Bassidsch, Attacken auf Schlafsäle, Schlägereien und Festnahmen einschüchtern.
Studentenaktivisten erscheinen entschlossen, der „Grünen Bewegung“ des Wahlverlierers Mussawi neue Lebenskraft zu geben. Genau dies aber befürchtet das Regime seit Wochen und warnte regelmäßig eindringlich davor, mit Beginn des Lehrbetriebes erneut politischen Aktivismus zu wagen. Einschüchterungen sind an der Tagesordnung, regelmäßig werden Studenten im ganzen Land vor „Disziplinar-Komitees“ der Universitäten geladen und für ein, zwei Semester oder mehr vom Unterricht suspendiert. Berichte, die Bassidsch, die seit der Machtübernahme Ahmadinedschads auf Universitätsgeländen stationiert sind, würden mit Waffen ausgestattet, um der Einschüchterungskampagne größere Überzeugungskraft zu verleihen, verschärfen das Klima der Angst.
Irans Studenten spielten in der Vergangenheit eine entscheidende Rolle im Ringen der Iraner für Freiheit und Demokratie, sowohl während der Zeit der Monarchie, als auch danach. Die jüngsten Demonstrationen aber hatten Angehörige aller Gesellschaftsschichten und Altersgruppen mit sich gerissen.
Der „Geistliche Führer“ Khamenei zeigt sich entschlossen, mit aller Konsequenz zu verhindern, dass nun die Studenten die Vorhut der Rebellion übernehmen. Er ließ seiner Angst vor der gebildeten Jugend des Landes freien Lauf, als er am 31. August bei einer Begegnung mit Universitätsprofessoren das „Gift“ der geisteswissenschaftlichen Lehre, den „schädlichen westlichen“ Einfluß auf das Bildungssystem für die das Regime erschütternden Unruhen verantwortlich machte. Geistes- und Sozialwissenschaft entspringe „Philosophien, die auf Materialismus“ beruhten, den Glauben an Gott und die „islamischen Lehren“ ablehnten. „Solche Studienfächer zu lehren, kommt der Propagierung von Skeptizismus und Zweifel an religiösen Prinzipien und Glaubensregeln“ gleich. Die Wissenschaften müssten, so wiederholte Khamenei einen seit 18 Jahren propagierten Auftrag, im „Kontext des Schiismus“ interpretiert werden. Und er beklagte, dass mehr als zwei Millionen Iraner an heimischen Universitäten geisteswissenschaftliche Fächer studierten.
Auch bei den Schauprozessen gegen führende Reformer und Aktivisten der jüngsten Proteste attackierten die staatlichen Ankläger westliche Philosophen und Gelehrte und beschuldigten sie der Aufwiegelung der iranischen Massen.
Erklärungen des neuen Wissenschaftsministers, Kamran Daneschju, der „neue, wert-orientierte Universitäten“ ankündigte, sowie anderer politischer Führer werden in akademischen Kreisen des Landes als Auftakt eine „zweite Kulturrevolution“ interpretiert. Die erste Kulturrevolution hatte in den frühen 80er Jahren zu einer dreijährigen Sperre der Universitäten geführt, Hunderte Professoren insbesondere der Soziologie, Psychologie, des Rechtswesens und politischer Wissenschaft u.a. von den Lehranstalten gejagt. Hatte diese Kampagne zunächst primär ein politisches Ziel, so erhielt sie rasch ein ideologisches Programm, bei dem es darum ging, den westlichen „Kultur-Expansionismus“ zu stoppen und allmählich islamische Geisteswissenschaften, sowie heimische Naturwissenschaften zu entwickeln. Das Projekt schlug kläglich fehl. Statt der versprochenen „neuen islamischen Gesellschaft“ hinterließ diese Kampagne tiefe Spuren von Gewalt und Repression, die einen drastischen Niedergang des akademischen Niveaus bewirkten. Loyalität zum Regime ersetzte im Lehrkörper wie unter den Studierenden Fähigkeit und Kompetenz. Vielen begabten Studenten wird bis heute der Zugang verwehrt, während ungebildete, aber fanatisch regimetreue Bassidschis die Studienplätze okkupieren
Sie konnte aber Lehre und freies Denken nicht blockieren. Dieser gefährlichen Entwicklung soll nun endgültig Einhalt geboten werden. Mehrere Staatsinstitutionen, darunter das vom radikalen Ayatollah Mesbah Yazdi geleitete „Imam Khomeini Forschungs-Institut“, arbeiten an einem Islamisierungsplan, der absoluten Gehorsam gegenüber dem „Führer, die Ablehnung aller modernen Konzepte von Bürgerrechten und das Bekenntnis zu einem „islamischen Staat“ auf der Basis der totalitären Interpretation des Islams durch die geistlichen Machthaber verlangt.
Studentenvertreter aber zeigen Mut zum Widerstand. Die „Islamische Gesellschaft“ an der Teheraner Amir Kabir Universität, die als Herz der Demokratie-Bewegung gilt, hält Repressionen gegen Studenten für „fruchtlos“. Das „Licht“, das durch die „wahren Werte“ erleuchtet, lässt sich nicht auslöschen, es werde vielmehr all jene verbrennen, die es zu vernichten suchen.
Dienstag, 29. September 2009
Birgit Cerha: Klima der Angst an Irans Universitäten
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