Mittwoch, 14. Januar 2009

Arnold Hottinger: Die Tragödie von Gaza

Israel hat vier „ konventionelle“ Kriege, Armee gegen Armee, gegen die arabischen Staaten gewonnen:1948, 1956, 1967, 1973. Israel hat darauf drei „asymetrische“ Kriege geführt, in denen es seine Armee gegen Befreiungsmilizen einsetzte. Den ersten von 1982 gegen die PLO in Libanon hat es teilweise gewonnen. Den zweiten gewann Israel nicht. Er wurde 2006 gegen Hizbullah in Libanon geführt, und die Israeli mussten nach Verlusten abziehen, ohne ihre Kriegsziele zu erreichen. Der dritte hat in Gaza begonnen. Dabei ist eines der Ziele für Israel, die Scharte von 2006 auszuwetzen. In der Sprache der israelischen Generäle, „das Abschreckungspotential der israelischen Armee (wieder) zu stärken“. Israel hat diesmal seine Kriegsziele vorsichtig formuliert: „Reduktion des Raketenbeschusses durch Hamas und Erreichen einer neuen Sicherheitslage in Gaza“. Das Wort “Sicherheitslage“ deutet das politische Ziel an: Ausschaltung von Hamas und Rückkehr der PLO zur Macht über Gaza.

Kriegsziel für Hamas dürfte sein, als Organisation den israelischen Ansturm zu überleben und womöglich den Raketenbeschuss fortzuführen oder bald wieder aufzunehmen. Endziel für Hamas wäre, die israelische Blokade des Gazastreifens zu sprengen.

Beide Seiten sind offensichtlich bereit, das Wohl der Zivilbevölkerung von Gaza, gegen 1,5 Millionen Menschen, hinter ihre Kriegsziele zurückzustellen. Gaza gehört zu den am dichtest bewohnten Gebieten der Erde, und die Kämpfer von Hamas leben und sterben in den Häusern und Lagern von Gaza. Dass dabei Zivilisten, alte Leute, Frauen und Kinder, mitsterben müssen, nehmen beide Seiten in Kauf. Beide behaupten: „es gibt keinen anderen Weg“. Beide hatten zwar sechs Monate lang einen anderen Weg eingeschlagen, den der Verhandlungen und der provisorischen Waffenruhe. Doch diesen haben beide als unbegangbar erklärt. Hamas, weil die Israeli die Umzingelung und Erstickung von Gaza weiter aufrecht erhielten; Israel weil die politische Führung nicht gewillt war, mit Hamas in weiterführende Verhandlungen einzutreten. Statt dessen übte die israelische Armee intensiv den Angriff auf Gaza, und genaue Vorbereitungen für eine nach aussen gerichtete israelische Propgandakampagne begannen auch schon vor sechs Monaten. Hamas hat seinerseits die Waffenruhe benützt, um sein Raketenarsenal, so gut es ging, durch die Tunnels aufzustocken. Die zivilen Opfer sind für Israel unvermeidliche Kollateralschäden. Für Hamas sind sie „Märtyrer“ eines Befreiungskampfes, bei dem das ganze Volk mitwirken soll.

Der Einsatz für beide Seiten ist hoch. Für Hamas geht es um Leben und Tod ihrer Bewegung. Für die israelische Armee geht es um ihre Glaubwürdigkeit im Kampf gegen irreguläre Feinde. Für die Regierung um ihre Wahlchancen im kommenden Februar. Für alle Palästinenser um Kampf- oder Verhandlungsstrategie gegenüber einem Israel, das bisher die Bildung eines eigenen Staates der Palästinenser verhindert hat - und verbunden damit um die politische Führung entweder durch Hamas oder die PLO. Dem gegenüber wiegt das Blut der Zivilisten von Gaza für beide politischen Führungsspitzen nicht schwer.

Doch die Toten von Gaza haben auch ihr Gewicht. Sie werden jede Friedenssuche weiter belasten. Die kurzfristigen Ziele eines möglichen Kriegserfolgs oder Teilerfolges überwiegen erneut alle fruchtbaren Lösungsansätze, die nur aus Verhandlungen zwischen beiden Feinden hervorgehen können. Das bisher angestrebte Verhandlungsziel einer Zweistaatenlösung läuft Gefahr, als unerreichbar abgewertet und aufgegeben zu werden.

(ah)