Montag, 15. April 2013

Terrorwelle überschattet Testwahl für Iraks Premier

„Al-Kaida in Irak“ gewinnt inmitten einer schweren politischen Krise und wachsenden Konflikten zwischen den Bevölkerungsgruppen wieder an Schlagkraft
 
von Birgit Cerha
 
Mindestens 18 Autobomben und drei Sprengkörper an Straßenrändern töteten Montag in großen Teilen des Iraks, von Bagdad, über Falluja, Kirkuk, Tikrit bis in den Süden des Landes, mehr als 30 Menschen. Es waren äußerst koordinierte Attacken, die eindeutig die Handschrift des irakischen Al-Kaida Zweiges, „Islamischeer Staat des Iraks“ (ISI), tragen. Im ganzen Land herrscht Hochspannung, denn Samstag finden die ersten Wahlen seit dem totalen Abzug der US-Truppen im Dezember 2011 statt.16,2 Millionen Iraker sind aufgerufen unter mehr als 8000 Kandidaten 378 Abgehordnete für die Provinzverwaltungen zu wählen. Die Terrorwelle gefährdet die ohnedies schon angeschlagene Glaubwürdigkeit dieser Wahlen, die  aufgrund schwerwiegender politischer Konflikte ohnedies schon nur in zwölf der insgesamt 18 Provinzen des Landes stattfinden. Die Eskalation der Gewalt zielt klar darauf ab, diesen demokratischen Prozess empfindlich zu stören und der Bevölkerung vor Augen zu halten, dass die mit US-Rückendeckung  an die Macht gekommene Regierung Maliki ohne direkte Unterstützung der Supermacht zum Scheitern verurteilt ist. 14 Kandidaten wurden in den vergangenen Wochen ermordet. Werden die von den US-Militärs ausgebildeten Sicherheitskräfte eine noch größere Katastrophe am Wahltag verhindern können?  Wird ein großer Teil der Iraker am Samstag den Gang zur Wahlurne nicht wagen? Diese Fragen könnten sich als entscheidender Test für den Premier und seine Hoffnungen für die Parlamentswahlen im nächsten Jahr, sowie eine dritte Amtsperiode erweisen. 
 
Zwar hat die Welle der Gewalt noch längst nicht den Pegel der blutigen Jahre 2006/07 erreicht, dennoch starben im März 271 Menschen bei Anschlägen, so viele wie seit vielen Monaten nicht. Der Terror verschärft die schweren Spannungen zwischen der seit Monaten vehement gegen Maliki protestierenden arabischen Sunniten und der von Schiiten dominierten Regierung. Malikis schärfster Konkurrent, der schiitische Ex-Premier Iyad Allawi, Chef der säkularen, insbesondere von Sunniten unterstützten „Irakiyya“-Bewegung , monatelang durch von Maliki angezettelte  Intrigen und Abwerbungen wesentlich geschwächt, könnte nun ein für den Premier alarmierendes Comeback feiern. Denn es gelang Allawi wie keinem anderen politischen Führer, in sunnitischen, wie schiitischen Regionen Unterstützung zu finden. Als einzige Partei stellte „Irakiyya“ Kandidaten im ganzen Land (ausgenommen freilich dem autonomen Kurdistan) auf.
 
Maliki, dessen Regierung in den vergangenen Monaten am Rande des Zusammenbruchs stand, nachdem sich Konflikte mit seinen Koalitionspartnern – den Kurden und der schiitischen Sadr-Bewegung – dramatisch zugespitzt hatten, umwirbt nun nach Kräften die gegen ihn protestierenden Sunniten. Am 7. April gewann er das Parlament für ein Gesetz zur Ächtung der gestürzten Baath-Partei und den totalen Ausschluss von ehemaligen Baath-Angehörigen aus dem Staatsapparat zu lockern.  Während der prominente Sunnitenführer Saleh al-Mutlaq von einem „Schritt in die richtige Richtung“ spricht, löste Malikis Strategie Schock unter Schiiten aus und der populäre Geistliche Moqtada Sadr droht, dem Premier den Kampf anzusagen.
Vor dem Hintergrund dieser das Land seit vielen Monaten politisch lähmenden Konflikte bedeutet der verschärfte Terror eine zusätzliche enorme Gefahr auf dem steinigen Weg zu einem funktionierenden modernen und demokratischen Staat. Was viele Iraker besonders beunruhigt, ist die wachsende Gefahr eines Überschwappens der blutigen Gewalt aus Syrien. Die jüngste Erklärung des ISI-Chefs, Abu Bakr al-Baghdadi, die im Kampf gegen Präsident Assad in Syrien so erfolgreiche islamistische „Jabhat al-Nusra“ sei ein „Kind“ der ISI, die nicht nur die Strategie koordiniere, sondern auch 50 Prozent des monatlichen Budgets dieser syrischen Rebellen finanziere, löste weithin Schock und Verwirrung aus. „Al Nusra“ versuchte, sich von dieser Erklärung zu distanzieren, ihr Führer, Abu Mohammed al-Jawlani, bekräftigte energisch, aus offensichtlicher Angst um gravierende Sympathieeinbußen unter der syrischen Bevölkerung, die Eigenständigkeit seiner Gruppe, die ihre Wurzeln ausschließlich in Syrien habe. Doch zugleich bekannte er sich demonstrativ zur Ideologie der Al-Kaida und deren Chef Ayman al Zawaheri. Darüber hinaus stimmte er der von Baghdadi angekündigten Verschmelzung der beiden Gruppen zum „Islamischen Staat des Iraks und Groß-Syriens“ zu, während Zawaheri die syrischen Rebellen dazu aufrief, die Gründung eines „islamischen Staates“ in Syrien als ersten Schritt zu einem weltumspannenden Kalifat zu betrachten. 
 
Experten des in London stationierten  anti-islamistischen Think-Tanks „Qilliam Foundation“ befürchten, dass eine Koordination der Gewaltakte dieser beiden Grupp0en den Irak in den syrischen Konflikt hineinziehen und eine neue Front für das so lange gequälte Land schaffen könnte. Zudem, so Quilliam-Chef Noman Benotman, drohe diese Entwicklung die ohnedies sich zunehmend vertiefende Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten in der Region gefährlich zu verschärfen, ja vielleicht sogar eine neue Phase eines regionalen mit religiösen Slogans gerechtfertigten Krieges vom Zaum zu brechen.

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