Mittwoch, 10. Oktober 2012

LEXIKON: Sanktionen gegen den Iran

Internationale Sanktionen gegen den Iran sind so alt wie die „Islamische Republik“. Die Amerikaner verhängten und verschärften sie, nachdem radikale Anhänger von Revolutionsführer Khomeini 1979 die US-Botschaft besetzt hatten. Ungeachtet dieses Drucks hielten sie 52 US-Diplomaten 444 Tage lang als Geiseln. Das Embargo, konzentriert weitgehend auf den Rüstungssektor, berührte die Bevölkerung allerdings kaum. Geschäftsleute, einfache Bürger, der Mittelstand wurden seit 1995 jedoch mehr und mehr getroffen, seit der damalige US-Präsident Clinton Sanktionen gegen den Öl- und Gassektor verhängte und nun auch zunehmend der Finanzbereich gelähmt wurde. Während in den vergangenen Monaten die Wohlhabenden in ohnmächtigem Schock die Schrumpfung ihrer Ersparnisse verfolgen und sich mehr und mehr der Masse der Armen anschließen, sind die sozial Schwachen, jene, die den geringsten Einfluss auf die Politik des Landes auszuüben vermögen, die Hauptopfer.
Westliche Länder, allen voran die USA, haben seit 2006 die Sanktionen graduell verschärft und auch begonnen, auf Einzelpersonen, insbesondere in den Revolutionsgarden, dem Rückgrat des Regimes, zu zielen. Mit einem Geldwäschevorwurf gegen die iranische Zentralbank und das gesamte Bankwesen des Landes konnten die USA ausländische Regierungen dazu anhalten, ihre Verbindungen zu den Banken ebenfalls zu lösen, wodurch auch für die iranische Privatwirtschaft das internationale Handelsgeschäft völlig gelähmt wurde. Die Sanktionen zielen vor allem auch auf die Schiffahrtsindustrie. Das letzte nicht-iranische Unternehmen, das sich noch bereitgefunden hatte, Tanker mit iranischem Öl zu versichern, beugte sich nun massivem US-Druck und zog sich aus dem Geschäft zurück.
Wiewohl bereits in fast totale ökonomische und politische Isolation getrieben, haben die Sanktionen das iranische Regime eher in seiner Entschlossenheit bestärkt, mit dem Atomprogramm, (für „friedliche Zwecke“, wie Teheran betont) fortzufahren. Unabhängige Experten sind davon überzeugt, dass es dem Iran derzeit nicht darum geht, Atomwaffen herzustellen, sondern sich nur das Know-how für eine eventuelle spätere Produktion zu erwerben.
Vor allem die amerikanischen Sanktionen aber enthalten keinerlei Anreiz für Teheran, sich auf Zugeständnisse einzulassen. Denn der Gesetzestext geht weit über das Atomprogramm hinaus und ist eher dazu angetan, die Herrscher der „Islamischen Republik“ in ihrer Unnachgiebigkeit zu bestärken und nicht mit den USA zu kooperieren. Denn die ökonomischen Strafmaßnahmen gegen den Iran können erst aufgehoben werden, wenn der US-Präsident dem Kongreß darüber informiert, dass das iranische Regime

- Alle politischen Gefangenen freigelassen hat
- Alle Methoden der Gewalt gegen iranische Bürger, die sich in friedlicher Weise politisch engagieren, stoppt;
- Eine transparente Untersuchung der Tötung von und Gewaltanwendung gegen friedliche politische Aktivisten (gemeint ist während der monatelangen Proteste nach den Präsidentschaftswahlen 2009) einleitet und die Verantwortlichen vor Gericht stellt;
- Reformen zur Errichtung eines unabhängigen Justizsystems einzuleiten.

So dringend notwendig solche Maßnahmen auch wären, komplizieren diese Forderungen die Suche nach einer Lösung im Atomkonflikt in gravierender Weise, da sie mit dem iranischen Atomprogramm in keinerlei Zusammenhang stehen. Zudem sind sogar wichtige US-Verbündete in der Region weit davon entfernt, solche Bedingungen zu erfüllen, allen voran Saudi-Arabien und Bahrain, die während des „Arabischen Frühlings“ ähnlich brutal gegen friedliche Demonstranten losgegangen waren und einige von ihnen immer noch in Haft halten, wie die „Islamische Republik“.
Solche Doppelmoral und die zynische Bereitschaft des Westens, auch noch so große Opfer unter einer ohnedies durch ein repressives Regime gequälten Zivilbevölkerung in Kauf zu nehmen, führt – wie die Vergangenheit bereits zeigte – zu einer Verhärtung der iranischen Position und treibt die amerika-freundlichste Bevölkerung des Mittleren Ostens mehr und mehr ins Lager der Feinde der Supermacht.

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