Kofi Annans Friedensplan brachte vorerst die Waffen zum Schweigen, doch er zeigt keinen Weg zu einer diplomatischen Lösung - Beide Seiten machen die Zeit zu ihrem Verbündeten
von Birgit Cerha
Donnerstag, 12. April, um 6 Uhr, sagte der von der UNO und der Arabischen Liga beauftragte Syrien-Vermittler Kofi Annan, würden die Waffen schweigen. Tatsächlich herrschte im Reiche Bashar el Assads nach Wochen des Horrors und des Blutes Donnerstag vormittags erstmals wieder Ruhe – stundenlang, doch gespenstisch und irreal. Denn jeden Moment könnte das Töten von neuem losgehen. Und tatsächlich kam es wieder zu, wiewohl vergleichsweise kleinen, Gewalttaten in Aleppo, Damaskus, Hama und Idlib u.a. Dennoch der von Kofi Annan ausgehandelte Waffenstillstand birgt einen winzigen Funken Hoffnung für das gequälte Land, das in einem Jahr mehr als 9000 Tote zu beklagen hat. Der einstige UN-Generalsekretär hatte eine Meisterleistung an Diplomatie und Überredungskunst vollbracht, um Assads Schutzmächte China und Rußland für seinen Plan und dafür zu gewinnen, auf den martialischen Syrer massiven Druck auszuüben. Zugleich gewann Annan auch die angesichts der Brutalitäten des Regimes zutiefst mißtrauische Opposition für ein Minimum an Kooperation.
Vielleicht reicht dies zunächst einmal, um wenigstens die so dringend nötige humanitäre Hilfe an die zahllosen Opfer der Gewalt zu ermöglichen – ein primäres Ziel Annans. Doch dem Friedensplan, ja sogar dem Waffenstillstand fehlt jede Basis für Dauerhaftigkeit. Die zentrale Forderung hat Assad nicht erfüllt: Abzug der Truppen und schweren Waffen aus zivilen Siedlungsgebieten. Die Armee des Diktators steht vielmehr schußbereit, um „gewaltsame Provokationen“ der Gegner „angemessen“, wie es heißt, zu beantworten. Auch wenn sich die in der Türkei stationierte „Freie syrische Armee“ vorerst zu Gewaltverzicht verpflichtet hat, hat sie keinerlei Möglichkeit sie diesem im Land, wo zahllose Rebellengruppen unkoordiniert agieren, auch durchzusetzen. Zudem zeigt sich keine von beiden Seiten vom Vorteil des Gewaltverzichts zum gegenwärtigen Zeitpunkt überzeugt.
Zunehmend gewinnen Assad und seine Getreuen an Zuversicht, dass sie die Krise überstehen, die Gegner zerschlagen könnten. Die militante Opposition ist militärisch viel zu schwach, um eroberte Gebiete längerfristig zu halten, während das Regime auch nach einem Jahr des Grauens immer noch fast vollständig zusammenhält, die von Assad ausgegebene Losung – „wir sitzen alle in einem Boot und würden gemeinsam untergehen“ – ihre Schrecken nicht verloren hat. Auch die Gefahr einer internationalen Militärintervention nach libyschem Vorbild kann der Syrer abtun. Friedenspläne, wie der jüngste, eignen sich hervorragend, um Zeit zu gewinnen und die Macht erneut zu konsolidieren.
Assads Gegner hingegen sind davon überzeugt, dass die Gefahr für ihr Leben weit größer ist, wenn sie die Waffen niederlegen und schutzlos den Schergen des Diktators ausgeliefert wären. Hier und nach 9000 Toten und noch viel mehr Folteropfern bietet sich keine Basis für einen Dialog, der den einzigen Weg zu einer politischen Lösung weisen könnte. Zudem bleiben entscheidende Fragen völlig unklar: Wird Assad seine Truppen und schweren Waffen in die Kasernen zurückholen? Werden die zahllosen Geheimagenten in zivil ihre Willkür und Schikanen gegen die Bevölkerung einstellen und von den Straßen verschwinden, wie könnte der so dringend nötige nationale Versöhnungsprozeß beginnen und Rachegelüste stoppen und wie überhaupt könnte die Zukunft Syriens aussehen?
Doch die Alternative ist unabsehbare Gewalt, der die internationale Gemeinschaft bald nicht länger zusehen wird. Ihre Optionen aber weisen nicht den Weg zu einer Lösung: Bewaffnung der Opposition etwa, wie sie Saudi-Arabien und Katar fordern, würde die Katastrophe entscheidend verschlimmern; eine Schutzzone für die bedrohten Flüchtlinge könnte die nur – allerdings dringende – humanitäre Erleichterung für einige Menschen schaffen und gezielte Attacken auf syrische Militäreinheiten aus der Luft, wie manche westliche Kreise fordern, wären der Beginn eines neuen militärischen Abenteuers mit unabsehbaren Folgen. Alle diese Erkenntnisse geben Assad wohl ein starkes Gefühl der Zuversicht. Doch das gequälte Volk wird sich nicht mehr in die Passivität schlagen lassen.
Donnerstag, 12. April 2012
Syriens letzte Hoffnung
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