Das Königshaus verstärkt die Repression und lässt sich durch ein gigantisches Sportfest seine Politik international legitimieren
von Birgit Cerha
„Die Menschen werden hier getötet und wenn die Rennautos der Formel Eins hier ihre Runden drehen, dann erscheint es uns als brausten sie über unsere Körper.“ Bahrains Demokratie-Aktivisten sind empört. Wochenlang hatten sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden – schwachen - Kräften alles versucht, um FIA von der Unmoral zu überzeugen, den Grand Prix in dem winzigen Königreich abzuhalten, das gleichzeitig friedlich um Freiheit demonstrierende Bewohner schikaniert, foltert und tötet? Nach langem Zögern und intensiver Lobbyarbeit des Königshauses entschied sich FIA dennoch im letzten Moment, den herrschenden Al-Khalifas einen ungeheuerlichen politischen Dienst zu erweisen. Drei Tage lang wird Bahrain ab Sonntag mit dem Grand Prix im Zentrum internationaler Aufmerksamkeit stehen. 100.000 Besucher werden erwartet, hundert Millionen Begeisterte werden in 187 Ländern der Welt mitverfolgen, wie die Rennautos über den Asphalt des Inselstaates brausen und zugleich dem seit einem Jahr international isolierten Herrscher den heißersehnten Prestigegewinn schenken. Wer denkt da schon dran, dass noch vor wenigen Monaten das Hauptgebäude des F1-Geländes als Folterzentrum diente.
Alles ist wieder in Ordnung in dem 1,3 Millionen Menschen zählenden Reich, so die von FIA – indirekt - bestätigte Botschaft des Königs. Vor einem Jahr war der Grand Prix im letzten Moment abgesagt worden, nachdem auch der „arabische Frühling“ nach Tunesien und Ägypten den kleinen Golfstaat bis ins Mark erschüttert hatte. 40 Menschen kamen ums Leben, als Bahrains Sicherheitskräfte, schließlich von den Bruderstaaten am Golf, insbesondere Saudi-Arabien, tatkräftig unterstützt, eigene Bürger niederknüppelte, die nichts anderes friedlich gefordert hatten, als jene Grundrechte und Freiheiten, die der Westen längst genießt. 1.600 Menschen wurden während der „Perlenrevolution“ verhaftet und gefoltert, darunter laut „Bahrain Human Rights Society“ 160 Athleten, von denen 23 immer noch im Gefängnis schmachten.
Nach der direkten Militärintervention durch die saudische Armee herrschte kurz Friedhofsruhe, doch bald brachen Proteste erneut aus. Seit einer Woche, im Vorfeld des Grand Prix, hat das Regime die Repression „dramatisch“ verstärkt, berichtet die Aktivisten-Gruppe „Bahrain Watch“. Wieder setzen die Sicherheitskräfte, wie zu Beginn der Demonstrationen vor einem Jahr, Vogelschrot und scharfe Munition ein. Die Zahl schwerer Verletzungen nahm in der vergangenen Woche rapide zu. „Ärzte, Lehrer, Krankenschwestern, aber auch Sportler werden in furchtbarer Weise attackiert“, klagt Salman Kamal al-Deen, Generalseikretär der bahrainischen Menschenrechtsgesellschaft.
Die Polizei ist in Manama allgegenwärtig, hat aber vor allem auch schiitische Dörfer abgeriegelt, in der Hoffnung, damit den Protesten Einhalt zu gebieten. Denn die überwiegend schiitische Opposition hat während der F1-Rennen zu „Tagen des Zorns“ aufgerufen, um die Welt auf ihre Not aufmerksam zu machen. Die schiitische Bevölkerungsmehrheit fühlt sich von dem sunnitischen Herrscherhaus politisch und ökonomisch krass diskriminiert. Ihren Forderungen nach gleichen Rechten und Demokratie schlossen sich aber längst auch viele Sunniten an.
Vorsorglich wurden von den Behörden nur Sportreporter zu dem Rennen zugelassen. Politische Journalisten erhielten keine Visa. Sie haben damit auch nicht die Chance, die Familie von Abdulhadi al-Khawaja zu interviewen, des prominenten schiitischen Demokratie-Aktivisten, der im Vorjahr mit sieben anderen Gesinnungsgenossen zu lebenslanger Haft verurteilt worden war und seit zwei Monaten im Gefängnis in Hungerstreik steht. Der 50-jährige Menschenrechtler, der immer und immer wieder seine Gesinnungsgenossen zur Gewaltlosigkeit ermutigt, ist dem Tode nahe und bringt damit das Regime in ein schweres Dilemma. Seine Freilassung würde einen empfindlichen Gesichtsverlust für das Königshaus bedeuten. Stirbt er, wird er zum Märtyrer, der dem demokratischen Widerstand neue Lebenskraft einhauchen wird.
„Human Rights Watch“ (HRW) und „Amnesty International“ u.a. widersprechen energisch den Behauptungen des Regimes, dass sich die Situation im Lande normalisiert habe. „In Bahrain herrscht eine Menschenrechtskrise und das Königshaus sollte unter Druck gesetzt werden, um diese sofort zu beenden, alle politischen Gefangenen… freizulassen, internationale Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen ins Land zu lassen und die Empfehlungen einer unabhängigen Untersuchungskommission umzusetzen“, fordert HRW. Eine vom König einberufene unabhängige Untersuchungskommission hatte im Vorjahr schwere Verstöße gegen die Menschenrechte, systematische Folter während der „Perlenrevolution“ festgestellt. Der Monarch akzeptierte in einem eindrucksvollen Schritt die Kritik und versprach weitreichende Reformen, u.a. Meinungs- und Versammlungsfreiheit und die Garantie anderer Grundrechte. Doch fast nichts wurde seither umgesetzt. Folter und Mord halten an, für Tötungen und Misshandlungen Verantwortliche werden geschont und immer noch werden Ärzte so massiv unter Druck gesetzt, dass sie es nicht wagen insbesondere verwundete schiitische Demonstranten zu behandeln.
Der Konflikt in Bahrain, Nachbar zweier rivalisierender Regionalmächte, des schiitischen Irans und des sunnitischen Saudi-Arabiens, hat eine starke geostrategische Dimension. Der Iran sympathisiert mit der schiitischen Mehrheit im Königreich, während Saudi-Arabien offen und militant das Königshaus stützt, das in seinem Hoheitsgebiet die fünfte US-Flotte beherbergt, die im Krisenfall für die Sicherheit der Ölversorgung des Westens durch den Persischen Golf zu sorgen hat. Dementsprechend „tolerant“ erweisen sich auch die USA und ihre Verbündeten gegenüber den gravierenden Repression in diesem kleinen Inselreich.
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Freitag, 20. April 2012
Donnerstag, 12. April 2012
Syriens letzte Hoffnung
Kofi Annans Friedensplan brachte vorerst die Waffen zum Schweigen, doch er zeigt keinen Weg zu einer diplomatischen Lösung - Beide Seiten machen die Zeit zu ihrem Verbündeten
von Birgit Cerha
Donnerstag, 12. April, um 6 Uhr, sagte der von der UNO und der Arabischen Liga beauftragte Syrien-Vermittler Kofi Annan, würden die Waffen schweigen. Tatsächlich herrschte im Reiche Bashar el Assads nach Wochen des Horrors und des Blutes Donnerstag vormittags erstmals wieder Ruhe – stundenlang, doch gespenstisch und irreal. Denn jeden Moment könnte das Töten von neuem losgehen. Und tatsächlich kam es wieder zu, wiewohl vergleichsweise kleinen, Gewalttaten in Aleppo, Damaskus, Hama und Idlib u.a. Dennoch der von Kofi Annan ausgehandelte Waffenstillstand birgt einen winzigen Funken Hoffnung für das gequälte Land, das in einem Jahr mehr als 9000 Tote zu beklagen hat. Der einstige UN-Generalsekretär hatte eine Meisterleistung an Diplomatie und Überredungskunst vollbracht, um Assads Schutzmächte China und Rußland für seinen Plan und dafür zu gewinnen, auf den martialischen Syrer massiven Druck auszuüben. Zugleich gewann Annan auch die angesichts der Brutalitäten des Regimes zutiefst mißtrauische Opposition für ein Minimum an Kooperation.
Vielleicht reicht dies zunächst einmal, um wenigstens die so dringend nötige humanitäre Hilfe an die zahllosen Opfer der Gewalt zu ermöglichen – ein primäres Ziel Annans. Doch dem Friedensplan, ja sogar dem Waffenstillstand fehlt jede Basis für Dauerhaftigkeit. Die zentrale Forderung hat Assad nicht erfüllt: Abzug der Truppen und schweren Waffen aus zivilen Siedlungsgebieten. Die Armee des Diktators steht vielmehr schußbereit, um „gewaltsame Provokationen“ der Gegner „angemessen“, wie es heißt, zu beantworten. Auch wenn sich die in der Türkei stationierte „Freie syrische Armee“ vorerst zu Gewaltverzicht verpflichtet hat, hat sie keinerlei Möglichkeit sie diesem im Land, wo zahllose Rebellengruppen unkoordiniert agieren, auch durchzusetzen. Zudem zeigt sich keine von beiden Seiten vom Vorteil des Gewaltverzichts zum gegenwärtigen Zeitpunkt überzeugt.
Zunehmend gewinnen Assad und seine Getreuen an Zuversicht, dass sie die Krise überstehen, die Gegner zerschlagen könnten. Die militante Opposition ist militärisch viel zu schwach, um eroberte Gebiete längerfristig zu halten, während das Regime auch nach einem Jahr des Grauens immer noch fast vollständig zusammenhält, die von Assad ausgegebene Losung – „wir sitzen alle in einem Boot und würden gemeinsam untergehen“ – ihre Schrecken nicht verloren hat. Auch die Gefahr einer internationalen Militärintervention nach libyschem Vorbild kann der Syrer abtun. Friedenspläne, wie der jüngste, eignen sich hervorragend, um Zeit zu gewinnen und die Macht erneut zu konsolidieren.
Assads Gegner hingegen sind davon überzeugt, dass die Gefahr für ihr Leben weit größer ist, wenn sie die Waffen niederlegen und schutzlos den Schergen des Diktators ausgeliefert wären. Hier und nach 9000 Toten und noch viel mehr Folteropfern bietet sich keine Basis für einen Dialog, der den einzigen Weg zu einer politischen Lösung weisen könnte. Zudem bleiben entscheidende Fragen völlig unklar: Wird Assad seine Truppen und schweren Waffen in die Kasernen zurückholen? Werden die zahllosen Geheimagenten in zivil ihre Willkür und Schikanen gegen die Bevölkerung einstellen und von den Straßen verschwinden, wie könnte der so dringend nötige nationale Versöhnungsprozeß beginnen und Rachegelüste stoppen und wie überhaupt könnte die Zukunft Syriens aussehen?
Doch die Alternative ist unabsehbare Gewalt, der die internationale Gemeinschaft bald nicht länger zusehen wird. Ihre Optionen aber weisen nicht den Weg zu einer Lösung: Bewaffnung der Opposition etwa, wie sie Saudi-Arabien und Katar fordern, würde die Katastrophe entscheidend verschlimmern; eine Schutzzone für die bedrohten Flüchtlinge könnte die nur – allerdings dringende – humanitäre Erleichterung für einige Menschen schaffen und gezielte Attacken auf syrische Militäreinheiten aus der Luft, wie manche westliche Kreise fordern, wären der Beginn eines neuen militärischen Abenteuers mit unabsehbaren Folgen. Alle diese Erkenntnisse geben Assad wohl ein starkes Gefühl der Zuversicht. Doch das gequälte Volk wird sich nicht mehr in die Passivität schlagen lassen.
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von Birgit Cerha
Donnerstag, 12. April, um 6 Uhr, sagte der von der UNO und der Arabischen Liga beauftragte Syrien-Vermittler Kofi Annan, würden die Waffen schweigen. Tatsächlich herrschte im Reiche Bashar el Assads nach Wochen des Horrors und des Blutes Donnerstag vormittags erstmals wieder Ruhe – stundenlang, doch gespenstisch und irreal. Denn jeden Moment könnte das Töten von neuem losgehen. Und tatsächlich kam es wieder zu, wiewohl vergleichsweise kleinen, Gewalttaten in Aleppo, Damaskus, Hama und Idlib u.a. Dennoch der von Kofi Annan ausgehandelte Waffenstillstand birgt einen winzigen Funken Hoffnung für das gequälte Land, das in einem Jahr mehr als 9000 Tote zu beklagen hat. Der einstige UN-Generalsekretär hatte eine Meisterleistung an Diplomatie und Überredungskunst vollbracht, um Assads Schutzmächte China und Rußland für seinen Plan und dafür zu gewinnen, auf den martialischen Syrer massiven Druck auszuüben. Zugleich gewann Annan auch die angesichts der Brutalitäten des Regimes zutiefst mißtrauische Opposition für ein Minimum an Kooperation.
Vielleicht reicht dies zunächst einmal, um wenigstens die so dringend nötige humanitäre Hilfe an die zahllosen Opfer der Gewalt zu ermöglichen – ein primäres Ziel Annans. Doch dem Friedensplan, ja sogar dem Waffenstillstand fehlt jede Basis für Dauerhaftigkeit. Die zentrale Forderung hat Assad nicht erfüllt: Abzug der Truppen und schweren Waffen aus zivilen Siedlungsgebieten. Die Armee des Diktators steht vielmehr schußbereit, um „gewaltsame Provokationen“ der Gegner „angemessen“, wie es heißt, zu beantworten. Auch wenn sich die in der Türkei stationierte „Freie syrische Armee“ vorerst zu Gewaltverzicht verpflichtet hat, hat sie keinerlei Möglichkeit sie diesem im Land, wo zahllose Rebellengruppen unkoordiniert agieren, auch durchzusetzen. Zudem zeigt sich keine von beiden Seiten vom Vorteil des Gewaltverzichts zum gegenwärtigen Zeitpunkt überzeugt.
Zunehmend gewinnen Assad und seine Getreuen an Zuversicht, dass sie die Krise überstehen, die Gegner zerschlagen könnten. Die militante Opposition ist militärisch viel zu schwach, um eroberte Gebiete längerfristig zu halten, während das Regime auch nach einem Jahr des Grauens immer noch fast vollständig zusammenhält, die von Assad ausgegebene Losung – „wir sitzen alle in einem Boot und würden gemeinsam untergehen“ – ihre Schrecken nicht verloren hat. Auch die Gefahr einer internationalen Militärintervention nach libyschem Vorbild kann der Syrer abtun. Friedenspläne, wie der jüngste, eignen sich hervorragend, um Zeit zu gewinnen und die Macht erneut zu konsolidieren.
Assads Gegner hingegen sind davon überzeugt, dass die Gefahr für ihr Leben weit größer ist, wenn sie die Waffen niederlegen und schutzlos den Schergen des Diktators ausgeliefert wären. Hier und nach 9000 Toten und noch viel mehr Folteropfern bietet sich keine Basis für einen Dialog, der den einzigen Weg zu einer politischen Lösung weisen könnte. Zudem bleiben entscheidende Fragen völlig unklar: Wird Assad seine Truppen und schweren Waffen in die Kasernen zurückholen? Werden die zahllosen Geheimagenten in zivil ihre Willkür und Schikanen gegen die Bevölkerung einstellen und von den Straßen verschwinden, wie könnte der so dringend nötige nationale Versöhnungsprozeß beginnen und Rachegelüste stoppen und wie überhaupt könnte die Zukunft Syriens aussehen?
Doch die Alternative ist unabsehbare Gewalt, der die internationale Gemeinschaft bald nicht länger zusehen wird. Ihre Optionen aber weisen nicht den Weg zu einer Lösung: Bewaffnung der Opposition etwa, wie sie Saudi-Arabien und Katar fordern, würde die Katastrophe entscheidend verschlimmern; eine Schutzzone für die bedrohten Flüchtlinge könnte die nur – allerdings dringende – humanitäre Erleichterung für einige Menschen schaffen und gezielte Attacken auf syrische Militäreinheiten aus der Luft, wie manche westliche Kreise fordern, wären der Beginn eines neuen militärischen Abenteuers mit unabsehbaren Folgen. Alle diese Erkenntnisse geben Assad wohl ein starkes Gefühl der Zuversicht. Doch das gequälte Volk wird sich nicht mehr in die Passivität schlagen lassen.
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