Warum das Treffen der arabischen Führer inmitten regionalpolitischer Turbulenzen diesmal besondere Bedeutung in mehrfacher Hinsicht besitzt
von Birgit Cerha
Seit Tagen ist Bagdad lahmgelegt. Sogar die Börse wurde geschlossen und ab heute, Donnerstag, ist auch eine Sperre des Flughafens für Zivilverkehr geplant. Teile der Stadt erstrahlen in neuem Glanz. Mindestens 500 Mio. Dollar ließ sich die irakische Führung die Restauration von Luxushotels und anderen repräsentativen Etablissements kosten, während die Stadtverwaltung laut New York Times Blumen und Bäume im Wert von einer Mio. Dollar pflanzte. Denn wenn heute, Donnerstag die Führer der 22 Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga oder deren Repräsentanten am Tigris zum dritten Mal in der Geschichte der Arabischen Liga zu einem Gipfel zusammentreten, will sich der Irak nach Saddam Hussein als ein erneut aufstrebendes Land präsentieren, stabil und stark, um wieder eine regionale Führungsrolle zu übernehmen. Der Krieg ist vorbei, das Leben hat sich normalisiert, die politische Führung ist entschlossen und regionalpolitisch verantwortungsbewußt: so lautet die Botschaft, die Iraks Premier Nuri al Maliki den arabischen Brüdern vermitteln will. Sie sollen das Zweistromland erneut in ihre Herzen schließen. Zweifellos verdient der Bagdader Gipfel den oft mißbrauchten Anspruch „historisch“ zu sein. Denn er unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von den meist durch gähnende Langeweile gequälten Routinetreffen arabischer Führer, die sich traditionell weder zu politischer Initiative, noch neuen Strategien durchrangen.
Zunächst sei angemerkt, dass die Bagdader Führung keine Kosten scheute, um die teilweise bitter vergrämten Brüder aus den anderen arabischen Ländern vollends zu versöhnen. Die Herrscher bzw. deren Repräsentanten werden nur wenig, wenn überhaupt etwas davon mitbekommen, dass sie zwar in höchstem Luxus absteigen, doch die Bevölkerung nach Jahren von Kriegen, Sanktionen und Bürgerkrieg immer noch nicht ausreichend mit Strom und sauberen Wasser, sowie einer auch nur halbwegs angemessenen Gesundheitsversorgung gesegnet sind. Den Krieg und dessen Folgen hat das Volk noch lange nicht überwinden, ja nicht einmal den Terror, wie koordinierte Anschläge (vermutlich von Al-Kaida nahestehenden Extremisten) in mehreren Landesteilen in den vergangenen Wochen bewiesen.
Die Sorge um ihre Sicherheit, aber auch Ärger über dies betont anti-sunnitische Politik des Schiitenpremiers Maliki werden denn auch eine starke Beteiligung der Staatschefs verhindern. So wird nicht einmal die Hälfte der Mitgliedsstaaten durch ihre Präsidenten und Monarchen vertreten sein und jene, die sich dennoch nach Bagdad wagen, werden wohl in wenigen Stunden wieder abreisen. Ob der neue Irak damit seine Reintegration in den Schoß der arabischen Welt schaffen kann, ist höchst fraglich.
Zentrales Thema des Gipfels ist die Syrien-Krise und der von Präsident Assad Dienstag gebilligte Plan des Sondergesandten der UNO und der Arabischen Liga, Kofi Annans für einen sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen mit der Opposition. Assad allerdings stellte Mittwoch klar, dass er jede Initiative der Liga zurückweisen werde, nachdem die Organisation die Mitgliedschaft Syriens suspendiert hatte. Dennoch dürfte die Bagdader Konferenz nach Aussagen des irakischen Außenminister Hoshiyar Zebari nicht offen nach Assads Rücktritt rufen.
Neben Syrien steht die Sorge insbesondere der Golfstaaten und Jordaniens über den expandierenden Iran im Mittelpunkt des Gipfels. Dabei geht es u.a. darum, den Irak unter Maliki aus dem starken Einflußkreis der „Islamischen Republik“ zu ziehen. Maliki hatte in den vergangenen Wochen intensive Annäherungsversuche gestartet, so etwa mit Saudi-Arabien einen Austausch von Gefangenen ausgehandelt, nach dem unzählige saudische Al-Kaida Terroristen in die Heimat zurückgeschickt werden dürften, seit der irakischen Invasion 1990 offene Entschädigungszahlungen an Kuwait zugesagt, wie den Beginn von Verhandlungen über Grenzkonflikte. Doch nur wenn die Bagdader Regierung auf Distanz zu dem im Irak heute dominierenden Iran geht, kann es den Irakern gelingen, das Mißtrauen ihrer mächtigen arabisch-sunnitischen Brüder zu überwinden. „Wenn der Irak zu uns zurückkehrt, dann wird er uns bereit finden, ihn zu umarmen“, umreißt Anwar Eshki, saudischer Analyst und ehemaliger Regierungsberater die Haltung des Königreiches, das nicht durch den Monarchen in Bagdad vertreten ist.
Der Gipfel findet auch an einem entscheidenden Wendepunkt der Arabischen Liga statt. Es ist der erste seit Ausbruch des „Arabischen Frühlings“ und jene Staatschefs, die diese Treffen traditionell dominiert hatten, fehlend diesmal, allen voran, der gestürzte Ägypter Mubarak und der schwer bedrängte Syrer Assad. Es ist nur vier Jahre her, dass der Libyer Gadafi bei einem Gipfeltreffen seine Amtskollegen warnte, sie könnte das Schicksal des exekutierten Irakers Saddam Hussein ereilen. Die höchsten Delegierten brachen damals in lautes Gelächter aus. Fünf von ihnen fehlen nun in Bagdad. Hier werden zum erstenmal vom Volk gewählte islamistische Repräsentanten neben alteingesessenen arabischen Führern sitzen und der seit Jahrzehnten von einem säkularen arabischen Nationalismus geprägten Organisation einen zunehmend einen neuen Stempel aufdrücken. Die Liga aber ist tief gespalten, zwischen autokratischen Führern die die Freiheitssehnsüchte ihrer Völker in Panik versetzt, und neue durch den Volkswillen an die Macht gespülte Politiker. Vorerst haben sich reformunwillige Autokraten und erbitterten Iran-Gegner unter Führung Saudi-Arabiens mit dem kleinen finanzkräftigen Katar durchgesetzt und durch ihre Entscheidung, den Nato-Einsatz gegen Gadafi zu unterstützen und Assads Sturz voranzutreiben der Liga zu ungewohnter Aktivität verholfen. Doch dass diese Herrscher und deren Politik den „Arabischen Frühling“ zu neuer Blüte verhilft, erscheint höchst fraglich.
Mittwoch, 28. März 2012
Arabischer Gipfel: Neue Führer im neuen Irak
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen