Der Druck wächst und ein zunehmend bedrängtes Regime reagiert widersprüchlich kriegerisch und versöhnlich zugleich
von Birgit Cerha
Der „Gottesstaat“ schlägt die „Kriegstrommeln“. Als Reaktion auf die radikal verschärften Sanktionen zunächst durch die UNO, dann die USA, die EU, sowie Kanada, hat der Iran ein eigenes, „inoffizielles Kriegspropaganda-Hauptquartier“ eingerichtet. Führende Politiker und Militärs überstürzen sich mit Erklärungen über die Spannungen zwischen der „Islamischen Republik“ und einem großen Teil der Weltgemeinschaft. Da enthüllt Präsident Ahmadinedschad angeblich „höchst geheime militärische Bewegungen des Feindes in der Region“, zugleich verkünden die Oberkommandanten der Revolutionsgarden und der paramilitärischen Bassidsch ihre „außergewöhnliche“ Kriegsbereitschaft. Auch von einem Komplott durch das zionistische Regime ist die Rede, das rasch durch Irans Verbündeten, die libanesische Hisbollah, höchst effizient beantwortet würde.
Aber auch die europäischen Handelspartner werden nicht verschont: „Jedem Staat“, so der Vizechef der iranischen Zentralbank Hamid Borhani, „der unsere Aktivitäten oder iranische Handelsguthaben einschränkt, werden wir unsere wirtschaftlichen Kontakte aufkündigen.“ Das Parlament in Teheran verabschiedete ein Gesetz, nach dem der Iran künftig die Ladung von Schiffen jener Länder kontrollieren würden, die Schiffe mit für den Iran bestimmten Gütern nicht frei passieren lassen. Gemeint sind vor allem die die USA. Jedes im Persischen Golf kreuzende US-Kriegsschiffe, so drohen die Revolutionsgarden, könnte mit hundert eigenen konfrontiert werden. Durch den Golf werden etwa 40 Prozent des Weltölbedarfs transportiert.
Doch, wie stets, ist iranische Politik zutiefst widersprüchlich. Versöhnungsgesten begleiten die Kriegspropaganda. Gleich nach dem Ramadan, dem im August beginnenden islamischen Fastenmonat, wolle sich Teheran „bedingungslos“ mit der EU an den Verhandlungstisch setzen, über eine Lösung des Streits um sein Atomprogramm diskutieren. Erste Anzeichen, dass der massive internationale Sanktionsdruck Wirkung erzielen könnte?
Tatsächlich lassen sich bereits erste Anzeichen dafür erkennen, dass die Sanktionen zu schmerzen beginnen. Nicht nur weigern sich große Ölkonzerne, iranische Transportmaschinen auf internationalen Flughäfen aufzutanken und dem „Gottesstaat“ dringend nötige Raffinerie-Produkte, insbesondere Benzin und Diesel zu liefern (wovon der Iran 40 Prozent des Eigenbedarfs importieren muss). Laut Schiffsindustrie in Dubai erreichten im Juli bisher nur drei Schiffsladungen Benzin die iranische Küste, während die Iraner im Schnitt in diesem Sommermonat elf bis 13 Schiffsladungen benötigen. Eine wachsende Zahl an Schiffen würde aufgrund des verschärften Sanktionsdrucks nicht mehr iranische Ziele anfahren. Insgesamt lassen sich bereits enorme Probleme beim Güterimport erkennen, da sich aufgrund US-Drucks große westliche Versicherungsunternehmen weigern, iranische Schiffe zu versichern. Allerdings haben Russland und Indien klargestellt, dass sie ihren legalen Handel mit der „Islamischen Republik“ fortsetzen wollen, ebenso er politische Freund Venezuela.
Um seinen heimischen Bedarf an Benzin und anderen Raffinerieprodukten zu decken, setzen die Iraner einerseits auf eine radikale Einschränkung des Konsums, durch Preiserhöhungen, bzw. Reduzierung staatlicher Subventionen erzwungen, sowie auf Schmuggel, ein Gewerbe, das die allmächtigen, die Wirtschaft dominierenden Revolutionsgarden über die Jahre bereits zur Perfektion und enormen Profiten für sie selbst entwickelt haben. Zentralasiatische Nachbarn, aber auch das an guten Beziehungen zum Iran interessierte irakische Kurdistan sind dabei wichtige Quellen.
Unabhängige Experten sind dennoch überzeugt, dass Irans Ölindustrie – sowohl ehrgeizige Pläne zum Neubau von Raffinerien, wie auch Modernisierung und Weiterentwicklung der Öl- und Gasproduktion – mittelfristig schwer unter den Sanktionen leiden werden. Vorerst gelingt es Teheran, westliches Know-how durch asiatisches, vor allem chinesisches, zu ersetzen, was allerdings Qualitätseinbußen bedeuten und insgesamt die Projekte verzögern dürfte.
Aber auch politisch macht sich der wachsende Sanktionsdruck bereits bemerkbar. Der Versuch einer massiven Steuererhöhung für Irans Bazaar-Geschäftsleute hatte im Juli nur den letzten Anstoß zu einem tagelangen Streik in Teheran und anderen Städten gegeben, dem sich der Präsident schließlich weitgehend beugte und die Steuerbelastungen wesentlich reduzierte. Doch der Unmut der Händler hat sich nur oberflächlich gelegt. Der Ärger über die katastrophale Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahren und die dramatische Isolation des Landes treibt den mächtigen Bazaar, jene Institution des Irans, die einst entscheidend zum Sturz des Schahs beigetragen hatte, mehr und mehr in die stetig erstarkenden Arme der Opposition.
Dienstag, 27. Juli 2010
IRAN: Wo Sanktionen Iran am meisten schmerzen
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