Großayatollah Yusef Sanei gilt als der neue „Geistige Vater“ der „Grünen Bewegung“
von Birgit Cerha
„Seid gewiß, die Bemühungen und das Leiden des Volkes, insbesondere der Gebildeten, wird Früchte tragen.“ Mit solchen Worten ermutigt Großayatollah Yusef Sanei seit Monaten Irans „Grüne Bewegung“. Nach dem Tod des weithin hoch verehrten Großayatollah Ali Montazeri, dem „Geistigen Vater“ der Reformbewegung, richtet sich der Orientierung suchende Blick Hunderttausender auf den 72-jährigen Großayatollah Yusef Sanei. Er zählt zu den höchsten Geistlichen im „Gottesstaat“, die liberale Ansichten vertreten und unterstützte die „Grüne Bewegung“ von Anbeginn.
Sanei verfügt zwar nicht, wie Montazeri, über eine fast lebenslange Erfahrung im Widerstand gegen die Diktatur, doch er tat sich seit Jahren insbesondere seit den manipulierten Präsidentschaftswahlen im Juni durch mutige Kritik an dem von Khamenei geführten Regime hervor.
Der in Isfahan geborene Sanei entstammt einer Familie schiitischer Gelehrter. Während seiner theologischen Studien in der „heiligen Stadt“ Qom kam er schon 1956 mit dem damals dort lehrenden und späteren Revolutionsführer Khomeini in Kontakt. Er wurde, so berichten seine Anhänger, einer von Khomeinis talentiertesten Schülern. Bis heute bekennt er sich stolz zum Gründer der „Islamischen Republik“, wie ein Zitat Khomeinis auf seiner Website erkennen läßt: „Ich habe Scheich Sanei aufgezogen wie einen Sohn.“
Sanei bekleidete hohe Funktionen in den ersten Jahren der „Islamischen Repbulik“, darunter auch jenes des Generalstaatsanwaltes während der Zeit schärfster Repressionen der 80er Jahre, ein Faktum, das ihm bis heute – ungeachtet seiner ansonsten liberalen Ideen – ein gewisses Misstrauen oppositioneller Iraner einträgt. 1988 legte er seine Funktionen als Chef des einflussreichen „Wächterrates“ (de facto der zweiten Kammer) zurück, und wurde nach dem Tod Khomeinis ein Jahr später zunehmend in Isolation gedrängt. Er bekleidete seither kein politisches Amt mehr und gesteht in erstaunlicher Offenheit Besuchern ein, dass er unter den hohen Geistlichen in Qom und deren Gefolgschaft heute „nicht viele Anhänger“ habe. Er begründet dies mit der Tatsache, dass diese höchste islamische Lehrstätte all zu sehr unter dem Einfluss des Systems stehe, zu dem er selbst immer mehr auf Distanz gegangen war.
Sanei vertritt erstaunlich moderne Ideen. So setzte er sich in Fetwas (islamische Rechtsgutachten) für die Gleichberechtigung der Frauen ein, für das Recht von Frauen, Ämter wie jene von Richtern zu bekleiden, ja auch Staatspräsident zu werden oder gar „Geistliche Führerin“. Nicht-Muslime besitzen nach seiner Überzeugung das selbe Recht ins Paradies einzugehen, wie Muslime, solange sie die Regeln ihrer Religion ernsthaft befolgen. Besondere Aufmerksamkeit erregte in liberalen Kreisen durch eine Fetwa, in der er Selbstmordattentate als „haram“ (islamrechtlich verboten) klassifizierte.
Der einstige Generalstaatsanwalt bekennt sich heute entschieden zu Menschenrechte und verurteilt energisch Folter und die im Iran weithin praktizierten Zwangsgeständnisse. Seit den Juni-Wahlen klassifiziert er die Herrschaft Präsident Ahmadinedschads als „illegal“ und stellt sich demonstrativ und energisch hinter den Führer der „Grünen Bewegung“, Mussawi, mit dem ihn eine enge Freundschaft verbindet. Er scheut auch nicht vor offener und scharfer Kritik am „Geistlichen Führer“ und dessen radikalen Mitstreitern zurück: „Lüge ist ein Charakteristikum der Unterdrücker, wenn sie an Boden verlieren, dann suchen sie in der Lüge Zuflucht.“
Einen Tag nach dem Begräbnis Montazeris attackierten Bassidsch-Milizen Saneis das Büro, der sich zur Geißel der geistlichen Herrscher erhebt.
Montag, 28. Dezember 2009
IRAN: Die „Geißel“ des Geistlichen Führers
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