Sonntag, 13. September 2009

Birgit Cerha: Das Ende der „Achse des Bösen“


Irans wachsendes Interesse an einer vorsichtigen Wiederannäherung mit dem „großen Satan“ USA, aber keine Zugeständnisse in der Atomfrage


Irans heftig umstrittener Präsident Ahmadinedschad feiert einen kleinen außenpolitischen Triumph. Intern von allen Seiten schwer bedrängt, kann ihm die Entscheidung der USA, sich auf Basis des vergangenen Mittwoch unterbreiteten iranischen Verhandlungspakets zu den ersten substantiven Gesprächen mit der „Islamischen Republik“ seit der Geiselkrise in Teheran 1979 an einen Tisch zu setzen kaum mehr gelegen kommen. Wiewohl das offizielle Washington bekräftigt, Teheran sei in seinen Vorschlägen nicht auf die Sorge der Amerikaner und ihrer westlichen Verbündeten über das iranische Atomprogramm eingegangen, hatte US-Präsident Obama Freitag die Teilnahme der USA am Dialog der „P-5+1“ (neben den USA Frankreich, England, China und Russland, sowie Deutschland) mit der „Islamischen Republik“ zugestimmt. Obama ließ sich zu dieser Kehrtwende bisheriger US-Politik, die den Iran neben Noprd-Korea (und einst dem Irak Saddam Husseins) als „Achse des Bösen“ gebrandmarkt und isoliert hatte, offensichtlich wegen der Aussichtlosigkeit überreden, das China und Russland einer Verschärfung der UN-Sanktionen gegen Teheran zustimmen würden, um einen Stopp des Uran-Anreicherungsprogrammes zu erzwingen.

Die Signale aus Teheran sind, wie stets, widersprüchlich. Einerseits läßt Außenminister Mottaki ein wenig Flexibilität erkennen, wenn er betont, sollten die Bedingungen dafür günstig sein“, könne auch der Atomstreit zur Sprache kommen und der neue Verteidigungsminister Ahmad Vahidi bekräftigt den rein zivilen Charakter des Atomprogramms, denn „die Produktion von Massenvernichtungswaffen (wie atomaren) ist gegen unsere religiösen, humanitären und nationalen Prinzipien.“ Anderseits betonte der „Geistliche Führer“ Khamenei vergangenen Freitag: „Wenn wir unsere Rechte – nukleare oder andere – aufgeben, wird das zu unserem Niedergang führen.“

Dennoch besteht kein Zweifel, dass der Iran nun auf eine lange erhofft Chance auf einen Dialog mit USA baut. Das iranische Vorschlagspaket enthält allerdings Ideen, die der Westen als beträchtliche Herausforderung werten muss. So besitzt die Forderung nach einer grundlegenden institutionellen Reform der UNO, um den „gegenwärtigen Bedürfnissen der Menschheit“ besser zu entsprechen, keine Aussicht auf Einigung, da er sich vor allem gegen die Zusammensetzung des Weltsicherheitsrates und damit die Dominanz der Großmächte wendet und es doch diese sind, die einer Reform zustimmen müssten. Auch das von Teheran präsentierte Lösungskonzept für das Nahostproblem – die Vereinigung israelische rund palästinensischer Territorien unter einer neuen, demokratisch gewählten Regierung, stößt auf sofortige Ablehnung. Und über die Atomfrage wollen die Iraner nur im Rahmen eines – allerdings auch von Obama angeregten – weltweiten Abrüstungsprogrammes sprechen.

In seiner ersten Amtszeit hatte Ahmadinedschad den Preis des Widerstandes im Atomstreit als wesentlich geringer eingestuft als jenen eines Kompromisses. Die drei Sanktions-Resolutionen der UNO erwiesen sich nicht besonders schmerzlich, da sie vielfach nicht eingehalten wurden und der Iran sein Atomprogramm forsetzen konnte. Nun erhofft sich der iranische Präsident von einer ersten zaghaften Annäherung an die so lange von den islamischen Revolutionären als „Großen Satan“ verteufelten USA längerfristig enorme Vorteile. Als Hauptbedingung für eine Aussöhnung hatten die Iraner stets eine offizielle Entschuldigung der USA für „Verbrechen“ der Vergangenheit gefordert. Ex-Präsident Clinton, seine Außenministerin Albright und zuletzt Obama hatten mehrmals 1999, 2000 und zuletzt in diesem Jahr Fehler der USA eingestanden. Nun läßt sich erstmals auch in der iranischen Propaganda erkennen, dass die „Islamische Republik“ bereit sein könnte, diese Außerungen als Entschuldigung zu akzeptieren.

Ebenso wichtig ist der iranischen Führung die Anerkennung des Irans als „regionale Supermacht“ durch die USA, was Washington zwingen müsste, Teheran in allen wichtigen internationalen Fragen als „gleichwertigen Partner“ zu konsultieren. Hierin liegt der Schlüssel für ein positives Engagement der „Islamischen Republik“ im Mittleren Osten, sei es im Irak, in Afghanistan, im Libanon und in der Palästinenserfrage.. Dies ist der Preis, den die Iraner für die Erfüllung ihrer Bedingungen zu zahlen bereit sind. Zugleich würde ein Dialog auf solcher Basis dem vor allem auch in den Augen der eigenen Bevölkerung schwer angeschlagenen Regime der Islamisten das weitere Überleben sichern.


Erschienen am 14.9.2009 in der "Frankfurter Rundschau"

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