Während US-Präsident Obama die Beziehungen zu dem wichtigsten Verbündeten in der arabischen Welt zu stärken sucht, droht Ägypten das Chaos
Eine triumphale Rückkehr zu fester, unverrückbarer strategischer Partnerschaft nach fünf Jahren der Abkühlung und schwerer Spannungen sollte die Visite des 81-jährigen Präsidenten Ägyptens im Weißen Haus in Washington werden. Doch Hosni Mubarak musste alles daran setzen, seine eigene altersbedingte physische Schwäche und die explosive politische Misere in seinem Heimatland zu vertuschen. Immerhin hat sein Regime seit dem Friedensschluss mit Israel 1979 aus Washington die stattliche Summe von 50 Mrd. Dollar in Empfang genommen. Damit baute die Supermacht das volksreichste arabische Land zu seiner wichtigsten strategischen Säule im Mittleren Osten auf. Diese Säule erlitt unter der Demokratisierungskampagne von Obamas Vorgänger Bush tiefe Sprünge, die Obama und Mubarak nun zu kitten versuchen, um gemeinsam effizienter in der Region Politik zu betreiben.
Doch die Säule steht auf schwankendem Boden. Das Alter hat Mubarak noch passiver gemacht. Wirtschaft und Politik stagnieren seit Jahren. Ägypten hat entscheidend an Einfluss verloren. Vor allem aber: Unter der Oberfläche brodelt so gewaltig, dass so manche prominente Ägypter, wie der Journalist Abdulhalim Qandil, das Regime Mubarak bereits am Rande des Zusammenbruchs sehen.
Die Wirtschaft kämpft mit gravierenden strukturellen Problemen. Die Arbeitslosigkeit liegt nach Schätzungen bei mehr als 20 Prozent, hohe Unterbeschäftigung verschärft die sozialen Probleme. Auf der Korruptionsliste von „Transparency International“ reiht sich Ägypten unter 180 Staaten auf den 115. Platz. „Korruption“, so die Organisation, hat alle Aspekte der Gesellschaft infiltriert“. Das sehen auch nach einer jüngsten Befragung 75 Prozent der Ägypter so und sie machen dafür vor allem die unter Mubaraks Sohn und Reisebegleiter Gamal verstärkten Kontakte zwischen dem Regime und der Geschäftswelt verantwortlich.
Andere statistische Zahlen entlarven ein erschreckendes Bild: Das Schul- und Universitätssystem bringt keine effizienten Experten hervor. Fast ein Drittel der Bevölkerung sind Analphabeten. Die Kluft zwischen Arm und Reich weitet sich stetig: Weniger als 20 Prozent der Ägypter besitzen 80 Prozent des Reichtums, während 44 Prozent mit weniger als umgerechnet zwei Dollar im Tag auskommen müssen. Weder die von Gamal Mubarak eingeleiteten Wirtschaftsreformen, noch die 28-jährige Politik des Präsidenten konnten die gravierenden Probleme, wie Arbeitslosigkeit, Inflation, Wohnungsmangel, Lebensmittelkrisen einer Lösung auch nur näher bringen.
Der sprichwörtliche Langmut der Ägypter aber hat nach Jahrzehnten sozialer Hoffnungslosigkeit ihre Grenzen erreicht. Im Vorjahr kam es zu blutigen Brotunruhen und allein im Juli gingen 16.500 Arbeiter im ganzen Land in 35 verschiedenen Aktionen in Streik – eine völlig neue Entwicklung am Nil, wo die Zivilgesellschaft mit aller Kraft unterdrückt wird.
Soziale Unruhen und politischen Dissens versuchte das Regime seit Jahrzehnten durch den Einsatz der Sicherheitskräfte, die heute schon fast zwei Millionen umfassen, zu ersticken. Die Scharen der politischen Gefangenen werden seit etwa zwei Jahren auch von Bloggern verstärkt, die es wagten, Kritik an Repression, Korruption über das Internet zu verbreiten. Ägypten unter Hosni Mubarak gleicht heute einem Polizeistaat vom Schlage Tunesiens oder Syriens. Laizistische Opposition ist zur Bedeutungslosigkeit zerschlagen, der wachsenden Stärke Moslembrüder aber kann der Repressionsapparat des Regimes nichts anhaben.
Doch der gigantische Sicherheitsapparat kann die Stabilität des Regimes nicht mehr lange sichern. Denn was, wenn die Ära Hosni Mubarak zu Ende geht? In seiner steten Angst vor politischen Rivalen hatte Mubarak weder je einen Vizepräsidenten bestellt, noch einen Nachfolger aufgebaut. Nun hofft er offensichtlich auf seinen Sohn Gamal, den er nach Washington mitnahm, wohl um ihm dem höchsten Mann im Weißen Haus zu präsentieren. Doch gegen Gamal gibt es heftigen Widerstand in Ägypten. Noch hat Mubarak nicht klargestellt, ob er bei den Präsidentschaftswahlen 2011 wieder zu kandidieren gedenkt. Zum Ende dieser Amtszeit wäre er dann fast 90 und die politische Stagnation würde die soziale und politische Bombe stetig schärfen. Extremismus gewinnt an Boden. Ein politisches Vakuum könnte all zu leicht radikale anti-amerikanische und anti-westliche Kräfte an die Macht spülen und die gesamte geostrategische Politik der Amerikaner und des Westens in der Region völlig untergraben.
Dienstag, 18. August 2009
Birgit Cerha: Mubaraks katastrophales Erbe
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