Doch die härtesten Tests stehen Irans Präsidenten noch bevor – Opposition zu anhaltendem Widerstand entschlossen
Er werde dem Volk dienen und dem Land und „ich denke an nichts anderes als an Fortschritt und Entwicklung der Nation“, beteuerte der schwer angeschlagene Ahmadinedschad Mittwoch, als er vor dem Parlament in Teheran den Eid für die zweite Amtsperiode als Präsident der „Islamischen Republik“ ablegte. Er rief das Volk zur Einheit auf, erwähnte jedoch mit keinem Wort die Menge hunderter Oppositioneller, die vor dem Parlamentsgebäude gegen die Angelobung demonstrierte und von einem Großaufgebot an Polizisten und Milizionären, wie in den vergangenen Wochen, brutal attackiert wurde. Zahlreiche Abgeordnete waren der Angelobung ferngeblieben. Deutschland sandte einen Beobachter, die EU, Frankreich, Großbritannien und Spanien ihre Botschafter. US-Präsident Obama und die Führer einiger europäischer Länder, nahmen jedoch von der traditionellen Gratulation Abstand, ein Sprecher des Weißen Hauses in Washington anerkannte Ahmadinedschad aber als „den gewählten Führer“. In der für ihn typischen Trotzreaktion, zog der Präsident das Verhalten westlicher Führer ins Lächerliche. Während er seinen Willen zu „friedlicher Koexistenz“ bekundete, betonte er, „sie“ (westliche Staatschefs) müssen wissen, dass keiner hier auf ihre Gratulationen wartet. Das iranische Volk legt weder Wert auf ihre Drohgebärden, noch auf ihre Gratulationen und ihr Lächeln.“
Mit der offiziellen Angelobung Ahmadinedschads aber ist die tiefe Krise, die das Land seit der umstrittenen Wahl vom 12. Juni erschüttert, noch längst nicht zu Ende. Für den durch die Welle der Proteste, die massiven Repressionen gegen friedliche Demonstranten und heftig umstrittene personelle Entscheidungen empfindlich geschwächten Präsidenten beginnen nun erst die härtesten Tests. Eine breite Oppositionsströmung unter Führung der offiziell unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mussawi und Karrubi, unterstützt von Ex-Präsident Rafsandschani, betrachtet unverändert den erneuten Amtsantritt Ahmadinedschads für „illegal“ und ist – ungeachtet massivster Einschüchterungen und des gegenwärtigen Massenprozesses gegen Demonstranten und zahlreiche führende Reformpolitiker zur Fortsetzung der Kampagne gegen den Präsidenten entschlossen.
Die erste große Hürde hat Ahmadinedschad in zwei Wochen zu nehmen, wenn er dem Parlament die Kabinettsliste vorlegen muss. Der schwere Konflikt um Esfandiar Rahim Mashai, dem Vater seiner Schwiegertochter, dessen Ernennung zu seinem ersten Vizepräsidenten Ahmadinedschad auf Druck des „Geistlichen Führers“ Khamenei rückgängig machen musste, eine Entscheidung, die er zur Empörung vieler seiner erzkonservativen Verbündeten im Establishment erst nach einwöchiger Verzögerung getroffen hatte, schwächt seine Position zusätzlich. Nachdem von Khamenei vergangenen Montag als Präsident bestätigt, versprach er, „alle zur aktiven Teilnahme und Planung einzuladen“. Iranische Beobachter interpretieren diese Aussage als Ankündigung, dass das neue Kabinett politisch heterogener sein werde, um die tiefe Kluft zwischen den politischen Strömungen im Land zu überwinden. Die Affäre Mashai läßt erkennen, dass Khamenei, der nach bisheriger Tradition über der Tagespolitik steht, nun entschlossen ist, in der Regierungsbildung eine aktive Rolle zu spielen. Ahmadinedschad sich nun einerseits verstärkt bemühen, seine Loyalität zum „Führer“ zu beweisen, anderseits aber auch die Unabhängigkeit der Exekutive zu dokumentieren.
Nichts deutet allerdings bisher darauf hin, dass sich der Präsident aber ernsthaft um nationale Einigung und Versöhnung bemühen könnte. So kündigte Ahmadinedschad vor wenigen Tagen an, dass er nun die Vernichtung seiner Feinde selbst in die Hand nehmen werde: „Der Zeitpunkt ist gekommen, ihre Köpfe gegen die Decke zu schlagen.“
Zugleich muß sich Ahmadinedschad nun bemühen, seine alten, durch die gegenwärtige Krise vergrämten Verbündeten wieder zu gewinnen. An erster Stelle stehen dabei die mächtigen Revolutionsgarden, die ihm vor vier Jahren entscheidend zu seinem Wahlsieg verholfen hatten und deren politischen Einfluß der Präsident in seiner Amtszeit wesentlich gestärkt hatte. Doch in der Affäre um Mashai hatte die Führung der „Garden“ klar die Seite des „Führers“ gegen Ahmadinedschad eingenommen – ein böses Omen für den Präsidenten. Auch mit dem Widerstand eines anderer engen Verbündeten Khameneis, Parlamentspräsident Laridschanis, muß der Präsident sowohl bei der Billigung seines Kabinetts, als auch bei der Verabschiedung neuer und Bestätigung einer Serie von dem Parlament bereits präsentierten Gesetzesvorlagen rechnen. Eine der wenigen Persönlichkeiten, die sich in dieser schweren Krisenzeit als Vermittler anbietet, ist der konservative Präsidentschaftskandidat Mohsen Rezai, der als einziger offen seine Niederlage eingestand. ER appellierte bereits an die Justiz, „parallel“ zu dem gegenwärtigen Massenprozeß, Milizionäre oder andere Elemente, die in den vergangenen Wochen brutal gegen Demonstranten vorgegangen waren, vor Gericht zu stellen.
Durch Konflikte und Widerstand von allen Seiten empfindlich geschwächt, könnte Ahmadinedschads Handlungsspielraum zu Beginn seiner zweiten Amtsperiode kaum enger begrenzt sein.
Mittwoch, 5. August 2009
Birgit Cerha: Ahmadinedschad tritt zweite Amtszeit an
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