Dienstag, 28. Juli 2009

Birgit Cerha : Kommt Khamenei der Opposition entgegen?

Weitere Rückschläge für Irans Präsidenten, während der „Geistliche Führer“ ein Gefängnis schließen läßt

Irans umstrittener Präsident Ahmadinedschad erlitt Dienstag einen erneuten Rückschlag aus Kreisen seiner radikalen Verbündeten. Während die konservativen Medien verstärkt Zweifel an der Fähigkeit des Präsidenten äußern, in seiner zweiten Amtsperiode effizient zu regieren und das Land aus der politischen Krise zu führen, befand ein Berufungsgericht Industrieminister Ali Akbar Mehrabian, einen engen Vertrauten Ahmadinedschads, des Betrugs für schuldig, weil er nach Ansicht der Justiz Patentrechte missbraucht hätte. Damit dürfte nach dem Geheimdienstminister noch ein Kabinettsmitglied aus dem Team des Präsidenten ausscheiden. Zugleich verstummt in Kreisen der Hardliner die Kritik am Präsidenten nicht, nachdem er erst nach einer Woche dem Wunsch des „Geistlichen Führers“ Khamenei gefolgt und die Ernennung von Esfandjar Rahim Maschaie zum ersten Vizepräsidenten und seinem Stellvertreter rückgängig gemacht, zugleich jedoch den Schwiegervater seines Sohnes zum Chef seines Büros ernannt hatte. Auch die Ernennung ausgerechnet Ali Kordans für die heikle Aufgabe der Überwachung der Ministerien und der Regierung, stößt auf heftige Kritik. Kordan war im Juli 2008 nach nur 90 Tagen als Innenminister vom Parlament seines Amtes enthoben worden, weil er fälschlicherweise vorgegeben hatte, ein Doktorat von der Oxford Universität zu besitzen.

Zugleich könnten so manche Anzeichen auf erste vorsichtige Versuche schließen lassen, dass Khamenei zumindest ein wenig der Oppositionsbewegung entgegenkommt. So zitiert das staatliche Fernsehen nicht nur Aufrufe des „Führers“ zur Mäßigung, sondern auch Ex-Präsident Rafsandschani, der am 17. Juli beim Freitagsgebet in Teheran durch seine offene Kritik an den Präsidentschaftswahlen und den darauf folgenden Massenverhaftungen scharfe Reaktionen aus erzkonservativen Kreisen ausgelöst hatte. „Meine Hoffnung ist der Führer, der aufgrund seiner Erfahrung und Ansichten einen Ausweg aus der Krise findet. Meine Position für eine kurzfristige Beilegung des Problems ist jene, die ich beim Freitagsgebet erläutert habe.“ Diese Meldung überrascht, denn Rafsandschani hatte sich ausdrücklich dem Wunsch Khameneis widersetzt und zu einer offenen Debatte über den umstrittenen Wahlausgang aufgerufen.
 
Beobachter werten die unkommentierte Wiedergabe dieser Aussage Rafsandschanis als Stärkung der Oppositionskräfte und weitere Schwächung Ahmadinedschads. Ebenfalls als Entgegenkommen gegenüber der Opposition und als Reaktion auf Berichte über die brutalen Haftbedingungen im Iran wird Khameneis Entscheidung gewertet, ein nicht näher genanntes Gefängnis mit 300 inhaftierten Demonstranten zu schließen. Laut staatlichem Sender befahl Khamenei ausdrücklich, dass es keine „Ungerechtigkeit“ gegen Oppositionelle geben dürfe. Die Regierung hatte bisher die Zahl der Gefangenen mit lediglich 150 angegeben. Menschenrechtsgruppen sprechen jedoch von mehreren Tausend. Am Wochenende wurde bekannt, dass der Sohn eines engen Beraters von Präsidentschaftskandidat Resaei im Evin-Gefängnis ums Leben kam. Unterdessen richtete das Parlament eine Sonderkommission ein, die die Lage der Festgenommenen untersuchen soll. Täglich demonstrieren Hunderte Menschen vor dem Evin-Gefängnis, um Informationen über ihre vermissten Angehörigen zu erhalten.
 
Die Tochter des bei einem Attentat im Jahr 2000 schwer verwundeten Vertrauten des damaligen Reformpräsidenten Khatami, Said Hadscharian richtete einen verzweifelten Appell an die Öffentlichkeit: „Laßt nicht zu, dass mein Vater getötet wird.“ Der Intellektuelle, der durch eine schwere Kopfverletzung weitgehend an den Rollstuhl gebunden ist und steter medizinischer Betreuung bedarf, war, gemeinsam mit zahlreichen anderen Reformern nach den Wahlen am 12. Juni festgenommen worden und seht nun nach Aussagen seiner Tochter Zeinab unter massivem psychologischen und physischem Druck, vor laufender Videokamera ein „Geständnis“ abzugeben, dass er sich von ausländischen Agenten für eine „samtene Revolution“ einsetzen ließ. Ihr Vater sei sehr blaß und sehr schwach. „Sie zwingen ihn täglich stundenlang bei 40 bis 42 Grad in der Sonne zu sitzen. Dann bringen sie ihn wieder ins Gebäude und überschütten ihn mit Eis.“ Sein Doktor befürchte, diese Methode werde einen Gehirnschlag auslösen, der umso eher eintreten dürfte, als eine der Venen durch das Attentat schwer beschädigt worden war. Auch werde ihm die nötige Medizin verweigert. Sie wollten ihm entweder ein „Geständnis“ erpressen, oder ihn töten, meint Zeinab. „Mein Vater ist bereits einmal gestorben. Er wird niemals ein Geständnis ablegen.“

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