Die enormen Risiken einer von US-Präsident Trump angestrebten engen Allianz mit dem Reich der radikal-islamistischen Wahhabiten
von Birgit Cerha
US-Präsident Trump hat das Ölreich Saudi-Arabien zum wichtigsten
Anker einer Politik weltweiter (insbesondere mittelöstlicher)
Krisenbewältigung gewählt. Nicht deutlicher konnte der weltpolitisch
Ahnungslose diese Absicht signalisieren, als er Riad zu seinem ersten
Ziel seiner ersten Auslandsreise als US-Präsident erkor. Prinz Mohammed
bin Salman, Verteidigungsminister, Lieblingssohn des Königs,
„aufsteigender Stern“ am politischen Wüstenhimmel, schwelgt in Freude
über diesen „historischen Wendepunkt“, der neue Beziehungen in Bereichen
der Politik, des Militärs, der Sicherheit und der Wirtschaft verheiße.
Mit Investitionen von 40 Mrd. Dollar in die Infrastruktur der USA – ein
Lieblingsprojekt Trumps – will Riad nach den Jahren der Eiszeit unter
Obama den neuen Freund im Weißen Haus entlohnen. Und Trump traf Freitag
mit dem Plan eines der größten Waffengeschäfte der Geschichte
(Kriegsgeräte im Wert von mehr als 300 Mrd. Dollar) in der Tasche im
Königreich ein, wo er etwa 50 Führern der islamisch-sunnitischen Welt,
darunter unzählige, Menschenrechte mit Füßen tretende Diktatoren, seine
vage Vision einer “Arabischen NATO“ verkünden wird.
„Wir haben alle denselben Feind, wir streben alle nach dem Selben“,
heißt es aus dem „Weißen Haus“: Kampf gegen radikalen Islamismus, gegen
die Terrormiliz des „Islamischen Staates“ (IS), „Al-Kaida“ und vor allem
gegen das Hegemoniestreben des schiitischen Iran – und man verschweigt,
dass es dabei um Saudi-Arabiens eigene Expansionsgelüste geht, von dem
feurig-ehrgeizigen Königssohn Mohammed neudefiniert und in bis dahin
ungewohnter saudischer Kriegslust vorangetrieben. Kein Zweifel, mit
Trumps Hilfe treibt die Region einem so lange gefürchteten offenen Krieg
der Sunniten gegen die schiitische Minderheit zu. Die gnadenlose
Brutalität, die sich damit auszubreiten droht, lässt sich im arabischen
Armenhaus Jemen erkennen, das die Saudis seit 2015 zur weltweit größten
humanitären Katastrophe bombardierten. Die Brutalitäten und Zerstörungen
stellen sogar jene Syriens noch in den Schatten, erreichen aber nicht
das Rampenlicht der Welt. Trump stärkt nun Riads Entschlossenheit den
Prozess der totalen Zerstörung des Jemen unter dem Vorwand fortzusetzen,
Irans Expansion im Jemen einzudämmen. Tatsächlich hatte der Krieg im
Jemen bis zu Beginn der massiven saudischen Militärintervention 2015
rein hausgemachte Gründe, waren die sich zum Zaidismus (einer
schiitischen Richtung des Islam) bekennenden Huthi-Rebellen keineswegs
auf Hilfe des Irans angewiesen und erhielten sie – wiewohl in höchst
geringem Maße – erst als der geopolitische Rivale Saudi-Arabien an
diesem strategisch wichtigen Südzipfel der Arabischen Halbinsel mit
hemmungsloser Gewalt Fuß zu fassen suchte. So war es Riad selbst, das
ein, wiewohl stark begrenztes – iranisches Engagement im Jemen
provozierte.
Die Liste der offen von den USA und Großbritannien mit Waffen
unterstützten saudischen Kriegsverbrechen im Jemen ist lang: Wohnhäuser,
Spitäler, Schulen, Märkte wurden und werden gezielt zerstört. Neben
gnadenlosen Bombardements zählt die Seeblockade des von lebenswichtigen
Importen abhängigen Landes zur effizientesten Strategie der Saudis. In
einer Zeit, in der das Land eine der weltweit schlimmsten Hungersnöte
durchleidet, zerstören saudische Bomber Rinderfarmen,
Lebensmittelfabriken, Wasserbrunnen, Häfen, Flughäfen, Straßen und
Brücken und verhindern damit effiziente internationale Hilfe. 80 Prozent
der 27-Millionen-Bevölkerung benötigt dringend humanitäre Hilfe.
Nicht nur im Jemen stoßen amerikanisch-saudische „Gemeinsamkeiten“ an
ihre Grenzen. Die Grundwerte des autokratischen Königreichs
widersprechen radikal jenen der amerikanischen Demokratie. Exekutionen,
Repressionen, Fahrverbot für Frauen im Ölreich sprechen für sich. Zudem
hat Trump für den Kampf gegen radikale Ideologien ausgerechnet die
Saudis zu seinem wichtigsten Partner gewählt, die nach den Worten von
William McCants von der angesehenen Denkfabrik „Brookings Institution“
zugleich „Brandstifter und Feuerwehrmänner“ sind. Bis heute konnte (und
wollte) sich die autokratische Monarchie der Al-Sauds nicht von ihrem
200 jährigen Pakt mit den extrem-radikalen Wahhabiten-Geistlichen lösen.
Diese sichern ihr mit ihrer „toxischen Version des Islam“ (so McCant)
das politische Überleben und liefern zugleich das ideologische Futter
für die gewalttätigen Jihadisten. Diese aber richten nun ihren Hass
zunehmend auch gegen das von ihnen als „korrupt und heuchlerisch“
verdammte Königreich.
Wie stark die zentrale Ideologie der Wahhabiten die Terrorgruppen
prägen, bewies der IS, der nach dem Vorbild seiner ideologischen
Lehrmeister, der Barbarei huldigend, kulturhistorische Stätten wie
Palmyra in Syrien ebenso zerstört, wie Kirchen, islamische Grabstätten
und schiitische Moscheen, Genozid an den Jeziden verübte, Massenmorde an
Christen und andersgläubigen Muslimen. Denn, so McCant ‚ der
Wahhabismus zieht “eine scharfe Trennlinie …. zwischen einer kleinen
Zahl der wahrhaft Gläubigen und allen anderen“. Toleranz zwischen den
Religionen wird mit dem Tode bestraft.
Das lehren auch die vom IS in Syrien und im Irak verbreiteten
Schulbücher. Sieben der insgesamt zwölf vom IS eingesetzten Bücher gehen
auf Mohammed ibn Abd al Wahhab, dem Gründer dieser von Hass erfüllten
Glaubensrichtung zurück. Diese Intoleranz ist auch zentraler
ideologischer Baustein des Hauses Saud, das über Jahrzehnte Tausende
Milliarden Dollar zur Verbreitung seiner radikalen Ideologie über die
ganze Welt einsetzte. Mehmet Görmez, höchster islamischer Gelehrter der
Türkei, beklagt, dass die sich so massiv ausgebreitete wahhabitische
Lehre Pluralismus, Toleranz, die Offenheit gegenüber der Wissenschaft,
die so lange den Islam charakterisiert hätten, untergrüben. Auch andere
Islamexperten sind davon überzeugt, dass diese radikale Ideologie den
Weg des Islam zu Reformen blockierte.
Das vom Westen traditionell so umworbene Ölreich produzierte nicht
nur 15 der 19 Attentäter, die am 11. September 2001 das World Trade
Center in New York zum Einsturz brachten und fast 3000 Menschen töteten.
Die große Mehrheit der auch bis heute von den USA als Terrorgruppen
eingestuften Organisationen und Netzwerke hat ihre ideologischen Wurzeln
im Wahhabismus. Saudi-Arabien spielte auch seit 2011 eine zentrale
Rolle in einem fatalen Prozess, in dem in Syrien die demokratische,
gemäßigte Opposition gegen Diktator Assad schließlich total von
Islamisten bis hin zur Al-Kaida und dem IS verdrängt wurde. Kein
Zweifel: Saudi-Arabien hat durch diese jahrzehntelange, durch Ölgeld
finanzierte Verbreitung seiner radikalen Ideologie die Sicherheit auch
im Westen in weit größerem Maße gefährdet als der von Washington, nun
auch wieder von Trump so verteufelte Iran es je tat.
Freilich, die Angst, der Terror der Al-Kaida und des IS könnte auch
die Grundfesten des saudischen Königsreichs erschüttert, trieb das
Herrscherhaus schon vor Jahren dazu, sich – wiewohl zögerlich - der von
den USA angeführten Anti-Terror-Allianz anzuschließen. Während das
Regime mit nur mäßigem Erfolg den Fluss von Geldern reicher saudischer
Bürger und Waffen an den IS und andere radikale Islamisten im Irak und
in Syrien zu stoppen suchte, hat die Zusammenarbeit mit
US-Geheimdiensten aus der Sicht Washingtons weit größere Früchte
getragen. So konnte etwa ein Tipp aus Riad 2010 einen Terroranschlag
auf zwei amerikanische Cargo-Flugzeuge verhindern.
Dennoch: Wie können die USA eine „Koalition mit Partnern“ aufbauen,
deren gesamte Lebensform eng mit dem gewalttätigen Extremismus verbunden
ist, den er nun in seiner auch ihm gefährlich werdenden Ausprägung,
aber nicht in seiner Ideologie zu bekämpfen sucht.
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