Wie Saudi-Arabiens junger Verteidigungsminister Macht anhäuft, mit
sprunghaften und auch aggressiven Entscheidungen die Stabilität zu
gefährden droht
von Birgit Cerha
Mohammed bin Salman kannten nur wenige Saudis, als ihn sein Vater vor
einem Jahr zum Verteidigungsminister und stellvertretenden Kronprinzen
ernannte. Kurz zuvor hatte der 79-jährige Salman den Thron
Saudi-Arabiens bestiegen. Sein 30-Jähriger Lieblingssohn, von seiner
Umwelt „MbS“ genannt, häufte in nur wenigen Monaten zahlreiche der
wichtigsten Ämter des Königreiches an, präsentiert, dirigiert,
visioniert und stürzt sein Land in gefährliche, teils sehr blutige
Abenteuer, die nichts anderes erreichen, als die ohnedies schwer
angeschlagene Stabilität in der Region weiter zu untergraben. An zweiter
Stelle in der Thronfolge, übernimmt MbS zunehmend auch höchste
Repräsentationsgeschäfte von seinem demenzkranken Vater, wie auch bei
dem gegenwärtig in Riad tagenden Gipfel des Golfkooperationsrates.
Niemand kann ihn mehr ignorieren, denn er ist heute der wichtigste
Entscheidungsträger eines der reichsten Ölstaaten der Welt und weitet
seine Macht stetig aus.
So auch jüngst als er beim Gipfel der
„Organisation Erdölexportierender Staaten“ (OPEC) das von vielen
Mitgliedsländern geforderte Einfrieren des Förderniveaus verhinderte,
weil der Iran sich nicht daran beteiligen wollte, um durch die
langjährigen internationalen Sanktionen verlorene Marktanteile
zurückzuholen. So purzelt der Preis weiter in den Abgrund, was selbst
die Saudis schmerzt, aber doch weit weniger als andere Ölstaaten.
Der rasante Aufstieg von Salmans Lieblingssohn schockierte im Königreich
und weit darüber hinaus. Manche internationale Kommentatoren nennen ihn
einen „unerfahrenen Hasardeur“, naiv und arrogant, der es liebt, mit
dem Feuer zu spielen und sogar„den gefährlichsten Mann der Welt“. Andere
hoffen, dass ein frischer Wind in der saudischen Gerontokratie das
Königreich mit seiner überwiegend jungen Bevölkerung aus seiner
politischen Starre schließlich in die Moderne führen könnte.
Irgendwann zwischen 1980 und 1985 geboren (das exakte Alter bleibt
offenbar Staatsgeheimnis) schloss MbS das Jura-Studium an der King Saud
Universität mit dem Bachelor ab, arbeitete anschließend einige Jahre im
Privatsektor, bis ihn sein Vater als seinen persönlichen Assistenten
engagierte. 2009 trat er als Sonderberater seines Vaters, der zum
Gouverneur der Provinz Raid ernannt worden war, erstmals in die Politik
ein. Um seine Eigenständigkeit zu beweisen, gründete er die „Prince
Mohammed bin Salman Foundation“ für hilfsbedürftigen Jugendliche. Im
Vorjahr übertrug der Königs MbS nicht nur das Verteidigungsressort,
sondern auch die direkte Kontrolle über den gesamten Ölsektor und die
Wirtschaft des Landes, eine einzigartige Konzentration der Macht in
Saudi-Arabien. Nur der König, berichten Diplomaten, könne MbS
widersprechen. Seine Stärke ruht auf der Tatsache, dass ihm der stete
Zugang zum Monarchen gesichert ist, MbS gilt in seinem politischen
Umfeld als das „wandernde Gedächtnis“ des greisen Herrschers und in
Interviews mit internationalen Medien, wie etwa jüngst mit dem
„Economist“ rutscht er wiederholt in das „königliche Singular“ als wäre
er bereits der autokratische Herrscher, in Formulierungen wie: „Ich habe
Boden-Boden-Raketen nun an meinen Grenzen“.
Die traditionelle saudische Besonnenheit ist dem ehrgeizigen jungen Mann
ebenso fremd, wie Bescheidenheit, Arroganz wird ihm ebenso nachgesagt,
wie mitunter rüpelhaftes und grobes Benehmen. Er sei ein Mann in Eile,
meinen Diplomaten und er habe dies gleich nach seiner Ernennung als
Verteidigungsminister bewiesen, als er Kampfjets gegen die vermeintlich
vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen in den Jemen schickte und einen
Krieg gegen das ärmste arabische Land vom Zaum brach, der Tausenden
Zivilisten das Leben kostete, eine gravierende Hungersnot auslöste,
verheerende Schäden anrichtete und dieTerrorgruppen der „Al-Kaida“ und
des „Islamischen Staates“ enorm stärkte. Humanitäre Organisationen
sprechen von schweren Kriegsverbrechen.
Der militärisch völlig unerfahrene MbS hält viel von militärischen
Interventionen, insbesondere, um Irans Dominanz in der Region zu
brechen. So vor allem in Syrien, wo Riad intensiv die islamistische
Opposition gegen Assad unterstützt und entschieden auf dessen Sturz
beharrt.
Die riskanten politischen Wagnisse des jungen Saudi bewogen den
Deutschen Nachrichtendienst BND Ende 2015 zu einer höchst ungewöhnlichen
Veröffentlichung eines eineinhalbseitigen Memorandums über die
„impulsive Interventionspolitik“ Mohammed bin Salmans, die den Mittleren
Osten noch weiter zu destabilisieren droht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen