Massive Einschüchterungskampagne der Wähler soll ein „überzeugendes“
Ergebnis erzwingen – Doch die Möglichkeit der Manipulationen bleibt begrenzt
von Birgit Cerha
[Bild: "One-Man-One-Vote" von Mana Neyestan)
Erst wenige Tage vor der elften Präsidentschaftswahl der „Islamischen
Republik“ am 14. Juni kommt ein wenig Bewegung in eine ungewöhnlich frostige
Atmosphäre. Die Entscheidung des „Wächterrates“, zwei prominente Kandidaten –
Ex-Präsident Rafsandschani und Präsident Ahmadinedschads engsten Vertrauten
Maschaie – von der Wahl auszuschließen, hat Kräfte selbst innerhalb des Systems
schockiert und in weiten Kreisen der Bevölkerung ein Gefühl der
Hoffnungslosigkeit in einer zunehmend bedrückenden politischen und ökonomischen
Krise verstärkt und damit die politische Apathie.
Wiewohl sich der „Geistliche
Führer“ Khamenei offenbar hinter den
Kulissen den Ärger Rafsandschanis und Maschaies beschwichtigen und damit auch
Ahmadinedschad davon abhalten konnte, angeblich korruptes Verhalten durch den Sohn
des „Führers“ in der Öffentlichkeit anzuprangern, erscheint die Kluft innerhalb
der herrschenden Elite doch tiefer denn je. Khamenei ist fest entschlossen, kein
Risiko einer Wiederholung der blutigen Proteste nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen
2009 einzugehen.
Das Szenario ist eisern festgelegt: Ein Präsident hat aus
diesen Wahlen hervorzugehen, der - im Gegensatz zum scheidenden Ahmadinedschad –
bedingungslos den Willen Khameneis erfüllt und dies in einem triumphalen Sieg
mit möglichst hoher Wahlbeteiligung, um die Macht des seit 2009 schwer
angeschlagenen Systems vor dem Volk und der internationalen Gemeinschaft zu dokumentieren.
Jede abgegebene Stimme, egal für welchen der acht überwiegend erzkonservativen
vom Wächterrat gebilligten Kandidaten sei – so beteuert Khamenei – ein Bekenntnis
zur „Islamischen Republik“ und er hofft, damit einen erneuten Konflikt über das
Wahlergebnis zu verhindern. Zugleich warnt er die Wähler vor „feindlichen
Verschwörungen“ (schon wurden zwei angebliche Spione für Israel und die USA
gehenkt) und ermahnt sie eindringlich, dem Gesetz zu gehorchen und auf „Slogans
von Kandidaten zu achten, die in Widerspruch zu den Ansichten der Behörden“
stünden, eine klarer Hinweis auf die verhassten Reformer.
Die Sicherheitskräfte stehen in höchstem Einsatz und die seit
2009 anhaltende Repression hat sich dramatisch verschärft. Die Zahl gefangener
Aktivisten und Journalisten steigt, während die „Revolutionsgarden“ eine
massive Einschüchterungskampagne führen. Dazu zählt die Ankündigung, „Abweichler“
(wie das Regime Anhänger der Reformbewegung nennt) aus der Luft zu überwachen
und die gefürchteten Motorrad-Patrouillen einzusetzen, die 2009 einen
entscheidenden Anteil an der blutigen Niederschlagung friedlicher Proteste
hatten.
Ungeachtet dieser höchst angespannten Atmosphäre wagten Tausende
Menschen beim Begräbnis des oppositionellen Geistlichen Ayatollah Jalal al-Din
Taheri in Isfahan gegen die autokratischen Methoden restriktiver Vorauswahl der
Kandidaten zu protestieren und gar „Tod dem Diktator“ (Khamenei) zu rufen – ein
klares Indiz für die in der Bevölkerung brodelnde Frustration und
Unzufriedenheit, die sich durchaus wieder entladen können.
Im Gegensatz zu den Wahlen 2009, als die beiden Reformer Mussawi
und Karrubi ihrem Gegenkandidaten Ahmadinedschad emotionale und harte
TV-Diskussionen lieferten, die das Interesse der Bevölkerung an den Wahlen erst
weckten und schließlich zu den Protesten gegen das Ergebnis führten, halten
sich die acht diesjährigen Kandidaten in ihren TV-Debatten streng an den vom
Regime vorgegebenen Rahmen, erläutern ihre vagen ökonomischen Konzepte, ohne überzeugende
Lösungen für die gravierenden sozialen Nöte anzubieten und sind sich in der
Frage der Fortsetzung des Atomprogramms einig. Nur einer der Kandidaten,
der Rafsandschani nahestehende Zentrumspolitiker und ehemaliger
Atomunterhändler Hassan Rouhani schlägt zunehmend Reformtöne an, beginnt offen
die Repression des Regimes zu kritisieren und lässt keinen Zweifel, dass unter
seiner Präsidentschaft Mussawi und Karrubi nach zweijährigem Hausarrest
freigelassen würden. Ob es ihm aber damit gelingt, einen Teil der verbitterten Wähler,
insbesondere der sich nach Freiheit sehnenden Jugend, aus ihrer Apathie zu
reißen, lässt sich vorerst nicht absehen. Fest steht jedoch, dass sich
traditionell Wahlprognosen im Iran als höchst schwierig, wenn nicht meist sogar
falsch erweisen und dass die Stimmung noch kurz vor dem Wahltag völlig
umschlagen kann.
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